Grundlegende Wissensstrukturen

Abstract:

Im Rahmen der biologischen Evolution einschließlich der sich darin entwickelnden Technologie gibt es mittlerweile sehr viele verschiedene Wissensstrukturen. In diesem Abschnitt werden so viele elementare Strukturen eingeführt, wie es notwendig ist, um damit ein voll lernfähiges System sowohl auf genetischer wie auch auf phänotypischer Ebene realisieren zu können.




In den vorausgehenden Texten beginnen die Überlegungen anhand der Beispiele aus der Natur bei der grundlegenden Struktur des genetischen Algorithmus mit Phänotyp, kurz: GA2 (vgl. 2.2).

Schaut man in die gängige Literatur über technische Systeme, dann findet man unter dem Stichwort genetischer Algorithmus (GA) in der Regel etwas anderes, nämlich einen genetischen Algorithmus ohne Phänotyp (kurz: GA1).

Figure 3.1: Genetischer Algorithmus ohne Phänotyp
\includegraphics[scale=.85]{GA_Example1.eps}

Wie im Diagramm 3.1 dargestellt, wird unter dem üblichen Namen 'Genetischer Algorithmus (GA1)' zwar die Population von molekularen Speichern - genannt 'Gene' -, behandelt, nicht aber der zugehörige Phänotyp mit seiner jeweiligen Umgebung. Dies hat zur Folge, dass der 'Erfolg' bzw. 'Misserfolg' der im molekularen Speicher verfügbaren Informationen nicht mittels des Phänotyps geprüft werden kann. Stattdessen wurde ein mathematisches Hilfsmittel erfunden, das den Phänotyp mit seinen Interaktionen 'ersetzt', indem er 'simuliert' wird. Dieses Hilfsmittel nennt sich 'Fitnessfunktion':


$\displaystyle Fit$ $\textstyle :$ $\displaystyle POP_{Mol} \mapsto POP_{Mol} \times FVAL$ (27)
$\displaystyle POP_{Mol}$ $\textstyle :=$ $\displaystyle Population of molecules$ (28)
$\displaystyle FVAL$ $\textstyle :=$ $\displaystyle Set of fitness values$ (29)
$\displaystyle POP_{Mol}(t+1) = Fit(POP_{Mol}(t))$     (30)

Die Fitnessfunktion $Fit()$ bildet jedes Molekül ab auf eine Menge von sogenannten Fitnesswerten $FVAL$. Diese dienen als Gradmesser dafür, wie 'gut' ein Molekül im Hinblick auf ein 'imaginäres Ziel' bewertet wird. Das 'imaginäre Ziel' ist eine Menge von Werten $G+$ ('G+' für 'goal values'), die im Rahmen von möglichen Werten $G$ als 'gute' Werte ausgezeichnet sind. Damit ist nicht gesagt, dass diese Zielwerte $G+$ tatsächlich existieren. Es liegt in der Verantwortung desjenigen, der die Fitnessfunktion definiert, zu klären, ob die Fitnessfunktion $Fit()$ einen sinnvollen Zusammenhang beschreibt.

Sobald eine Population von Molekülen mittels einer Fitnessfunktion 'bewertet' worden ist, also $POP_{Mol}(t+1) = Fit(POP_{Mol}(t))$, kann diese bewertete Population mit verschiedenen Operatoren weiter bearbeitet werden (z.B. 'crossover' und 'mutation'). Das Ziel ist es, die 'erfolgreichen' Moleküle zu 'unterstützen' und die weniger erfolgreichen zu 'schwächen'. Über die Details dieser Prozesse wird noch weiter zu reden sein.

Klar ist aber, dass der 'gewöhnliche' genetische Algorithmus GA1 einen wesentlichen Teil der Geschichte quasi 'verschweigt'. Nicht nur das. Mit Blick auf den Gang der biologischen Evolution inklusive der technischen Entwicklung ist festzuhalten, dass im Falle der biologischen Evolution ja keine 'Ingenieure' verfügbar waren, die in all den Milliarden Jahren immer wieder nach Bedarf irgendwelche Fitnessfunktionen quasi 'aus dem Hut' gezaubert haben, um herauszufinden, wie es 'weiter geht'. Der reale Gang der Dinge war so, dass die molekularen Informationen in 'handlungsfähige Phänotypen' übersetzt wurden, die sich dann in der 'realen Welt' $W$ bewähren mussten. Der molekulare Mechanismus als solcher wusste und konnte nicht wissen, welche Strukturen sich in der realen Welt bewähren würden; dazu brauchte es tatsächlich das 'reale Experiment', das missglücken konnte, mit der Folge, dass diese nicht erfolgreichen Strukturen aus starben.

In dieser Vorlesung werden die genetischen Algorithmen ohne Phänotyp GA1 zwar auch behandelt werden, das Hauptaugenmerk soll aber auf eine mögliche Nutzung des genetischen Algorithmus mit Phänotyp gelegt werden.



Subsections
Gerd Doeben-Henisch 2014-01-14