Beispiel eines Lernexperimentes

In diesem Beispiel soll illustriert werden, ob und wie ein reales Experiment mit dem im Skript vorgegebenen Modell eines Experimentes korreliert. Das ausgewählte Beispiel stammt aus einem in der Psychologie berühmten Artikel von Edward C. Tolman, aus dem Jahr 1948. Überschrieben mit 'Cognitive Maps in Rats and Men' [425] (Etwa: 'Gedankliche Karten in Ratten und Menschen') berichtet dieser Artikel von einer Reihe von Experimenten, die er selbst mit seinen Studenten durchgeführt hat, oder seine Studenten alleine bzw. auch Experimente von anderen Forschern. Alle zusammen kreisen um die Beobachtungen, dass Ratten offensichtlich in der Lage sind, in einem Labyrinth nicht nur den Weg zu möglichem Futter (oder Wasser) zu finden, sondern dass diese - je öfters sie diese Wege durchlaufen - die entscheidende Wege immer schneller finden. Dies wird von den Forschern so gedeutet, als ob die Ratten eine Art 'Gedächtnis' von dem Weg entwickeln, eine 'Erinnerung', die so detailliert ist, dass sie die Ratten in die Lage versetzt, an den einzelnen Verzweigungen im Labyrinth 'entscheiden' zu können, welche der verschiedenen Wegfortsetzungen sie 'wählen' müssen, um möglichst schnell zum Ziel zu kommen. In diesem Zusammenhang wurde der Begriff 'gedankliche Karte' (Englisch 'cognitive maps') geprägt. Natürlich wussten die Forscher damals noch nicht genau, was genau sich im Innern der Ratten abspielt, welche konkreten biologischen Strukturen, welche neuronalen Schaltungen sie annehmen müssten. Der Begriff 'gedankliche Karte' ist daher ein sogenannter 'theoretischer Term' einer möglichen Theorie zur 'Verhaltensfunktion' der Ratte, dessen 'Bedeutung' sich ausschließlich durch den Kontext der Theorie ergibt. Eine wirklich ausgearbeitete 'Theorie' im Sinne der Wissenschaftstheorie hat aber weder Tolman noch einer der anderen Forscher vorgelegt, bestenfalls eine 'Skizze zu einer möglichen Theorie'. Dennoch war die Wirkung dieses Artikels durchschlagend (vgl. etwa die historischen Einordnungen in den Büchern Bower et. 1981 [39], Marx et. 1987 [283], Benjamin 1988 [24]). Es kam dann zur sogenannten 'kognitiven Wende' in der verhaltensorientierten Psychologie, die bis heute Wirkungen zeigt. Verhaltensexperimente mit Ratten und Mäusen werden bis heute in der Forschung benutzt, speziell um die Grundlagen des räumlichen und episodischen Gedächtnisses in Verbindung mit den möglichen genetischen Grundlagen und den zugehörigen neuronalen Schaltkreisen zu untersuchen (vgl. die kurze Literaturübersicht in dem Blogeintrag Doeben-Henisch 2012 [94]).



Subsections
Gerd Doeben-Henisch 2014-01-14