Bootstrapping?

Abstract:

Computer besitzen ihre Fähigkeiten, weil Ingenieure diese so hinein gebaut haben. Im Falle biologischer Systeme können diese ihre Fähigkeiten während ihrer Tätigkeit dazu lernen. Dies erklärt aber nur einen Teil ihres Wissens. Bei biologischen Systemen spielt ferner der 'Wachstumsprozess' eine Rolle, aber auch die Informationen, die schon in der ersten Zelle vor Beginn des Wachstumsprozesses zur Verfügung stehen.




Im Fall des Computers wissen wir, dass er eine bestimmte Verhaltensweise nur zeigen wird, wenn wir ihn entsprechend programmiert haben. Zusätzlich müssen wir ihn natürlich 'einschalten', ihn starten. Zum Starten gehört es, dass der Computer alle die Programme aktiviert, die er ausführen soll. Überwiegend sind diese auf einem externen Speicher abgelegt, z.T. sind diese aber auch in der Hardware des Computers fest verdrahtet; sie müssen nicht geladen werden, sie sind mit dem Einschalten 'aktiv'. Diesen Vorgang vom Einschalten bis zum 'Arbeitsbeginn' nennt man auch 'booten' und aus Sicht des ausführenden Computers ist es ein 'bootstrapping', d.h. informell übersetzt, dass er sich selbst vom Start in die eigentliche Arbeitsposition versetzt.

Wie ist dies im Fall von Lebewesen? Wir können beobachten, dass Lebewesen, wenn sie geboren worden sind, von Anfang an sowohl eine minimale Verhaltensfähigkeit $\phi_{Biol0}$ besitzen wie auch die Fähigkeit, zu Lernen $\phi_{L.biol}$, also in etwa $\phi_{L.Biol}: \phi_{Biol0} \times IS \mapsto IS \times \phi_{Biol}$. Wo kommen diese Programme her? Im Falle von Lebewesen gibt es keine externen Programmierer und Ingenieure wie im Fall des Computers. Sobald ein Lebewesen im Rahmen seines 'Wachstumsprozesses' einen gewissen Reifegrad erreicht hat, verfügt es über diese Funktionen (und damit über diese Formen von dynamischem Wissen).

Wir wissen, dass Lebewesen sich ausgehend von einer Zelle durch Teilungsprozesse zu ihrer jeweiligen Körperform entwickeln. Wir nennen dies Wachstum (Ontogenese).

Wenn es also Informationen gibt, die den ganzen Prozess steuern, dann müssen diese in der Ausgangszelle verortet sein, da ansonsten keine weiteren Informationsquellen zur Verfügung stehen[*]. Wir haben gelernt, dass die grundlegend steuernden Informationen in zweifacher Form vorliegen: einmal als molekularer Informationsspeicher $ Mem_{Mol}$, dann als ein Übersetzungsprozess $ \gamma_{Biol}$, der diese molekular gespeicherten Informationen in 'Bauprozesse' übersetzt, die anhand der vorfindliche n Informationen andere Moleküle (Proteine) so 'zusammenbauen', dass daraus neue Zellen entstehen, und diese Zellen ' koordinieren sich' sowohl im Raum wie auch hinsichtlich einer 'Aufteilung' von Funktionalitäten'. D.h. die finalen Funktionen $\phi_{Biol0}$ sowie $\phi_{L.Biol}$, die wir nach Abschluss des Wachstums beobachten können, bilden sich aus dem Zusammenwirken von - im Falle des Menschen - einhundert Milliarden Zellen eines Nervensystems, die sich so 'koordiniert' haben, dass ihr 'Zusammenwirken' diesen 'Effekt' gibt. So faszinierend dies ist, so lässt dieser Prozess uns zurück mit der Frage, woher kommen die Informationen sowohl in der Ausgangszelle, im molekularen Speicher, wie auch im komplexen Übersetzungsprozess, dass dieses gewaltige Schauspiel stattfinden kann?

Figure 2.1: Biologische Selbstreplikation und Turingmaschine
\includegraphics[scale=.85]{bild2_davies_utm_ribosom.eps}

Im Schaubild 2.1 kann man auf der linken Seite die wichtigsten molekularen Elemente des Übersetzungsprozesses sehen und rechts schematisch die wichtigsten Elemente einer Turingmaschine. Eine nähere Analyse enthüllt, dass der Übersetzungsprozess von einer molekularen Information in Proteinstrukturen ein weitgehend deterministischer Vorgang ist, also keinesfalls alle Eigenschaften einer Turingmaschine benötigt. Ein endlicher deterministischer Automat würde ausreichen.

Gerd Doeben-Henisch 2014-01-14