Schätz-Sprachspiel Stufe 1

Figure 4.5: Minimale cognitive Struktur eines LSS
\includegraphics[scale=.85]{Zeichenlernen-Interne-Prozesse.eps}

Unter Voraussetzung der bisherigen Überlegungen soll hier ein erster Entwurf vorgestellt werden, wie ein Schätz-Sprachspiel ('guessing game') aussehen könnte, durch das eine Population von lernenden Zeichenbenutzern (lernende semiotische Systeme, LSS) eine beliebige Menge von Namen für eine beliebige Menge von Außenwelt-Objekten lernen kann. Für die Formulierung des Sprachspiels wird eine spezifische kognitive Struktur vorausgesetzt, wie sie im Bild 4.5 dargestellt wird. Diese kognitive Struktur ist ganz allgemein für abstrakte Lerner konzipiert. In einem zweiten Schritt könnte es interessant sein, diese Struktur auf realen Laborrobotern zu implementieren.

Folgende Annahmen werden gemacht:

  1. Der Lerner hat mindestens zwei Ziele: seinen Energiehaushalt zu managen und Zeichen zu lernen. Für das Ziel Energiehaushalt managen greifen wir auf die Arbeiten zurück, wie sie im Kontext von Tolman's Rattenexperimenten 1948 durchgeführt wurden (siehe http://www.uffmm.org/EoIESS-TH/gclt/node54.html).
  2. Für das Ziel Zeichenlernen nehmen wir die minimale kognitive Struktur an, die im vorausgehenden Bild skizziert ist.
  3. Es wird angenommen, dass der Systeminput $ I$ besteht aus 'Klängen' ('sounds') und 'Visuellen Mustern' ('visuals') im sensorischen Speicher $SM$ und internen(propriozeptiven) Wahrnehmungen ('internals'), die Emotionen $EMO$ im weitesten Sinne repräsentieren[*].
  4. Die zyklisch verfügbaren Werte im sensorischen Speicher (inklusive den 'Emotionen') werden im Rahmen eines Wahrnehmungsprozesses $perc()$ 'extrahiert', in 'unterscheidbare Elemente' zerlegt, nach bestimmten Mustern (z.B. 'räumlich') 'angeordnet', und - gegebenenfalls - aufgrund vorliegender Aufmerksamkeitstrigger besonders 'ausgezeichnet'.
  5. Die so aufbereiteten Elemente stehen dann modalspezifisch im Kurzzeitgedächtnis $STM$ zur Verfügung, d.h. Laute sind von visuellen Mustern unterschieden, dazu evtl. emotionale Elemente. Aufgrund der Anordnung und möglichen Aufmerksamkeitselementen stehen die Elemente des Kurzzeitgedächtnis potentiell in diversen Beziehungen.
  6. Unterschieden vom Kurzzeitgedächtnis $STM$ gibt es das Langzeitgedächtnis $LTM$, das in sich noch deutlich weiter spezifiziert werden kann.
  7. Hier wird nur angenommen, dass zu jedem Element des Kurzzeitgedächtnisses eine entsprechende Kategorie $CAT_{x}$ generiert werden kann, die als 'Repräsentant' vieler konkreter Elemente dienen kann. Mindestens werden unterschiedliche Kategorien für Klangobjekte $SND-OBJ-CAT$, für visuelle Objekte $VIS-OBJ-CAT$ und für emotionale Objekte $EMO-OBJ-CAT$ angenommen.
  8. Zwischen diesen Kategorien können dann vielerlei Kategorien-Beziehungen gebildet werden. Z.B. räumliche Beziehungen, Veränderungs-Beziehungen, oder auch Zeichen-Beziehungen.
  9. Der Übergang von Elementen des Kurzzeitgedächtnisses zu Kategorien wird durch die Funktion $abstr()$ geleistet.
  10. Die Bekanntgabe der Zugehörigkeit eines Elementes im Kurzzeitgedächtnis zu einer Kategorie wird durch die Funktion $is-a()$ geleistet.
  11. Liegt ein Objektelement vor, dann liefert die Funktion $name-it()$ den dazugehörigen sprachlichen Ausdruck, sofern er schon gelernt worden ist.
  12. Umgekehrt, liegt ein sprachlicher Ausdruck vor, dann liefert die Funktion $show-it()$ das dazugehörige Objekt, sofern er schon gelernt worden ist.

Mit diesen Voraussetzungen ergibt sich folgender erster Ansatz für ein - gegenüber Vogt [442] - modifiziertes Schätzspiel in Stufe 1:

  1. Ein Lerner hört ein Lautereignis $REPR_{y}$ ohne selbst auf ein Objekt zu zeigen. Dazu bildet er eine Laut-Kategorie $RCAT_{Y}$.
  2. Ein Lerner nimmt ein Objekt $OBJ_{x}$ wahr und bildet dazu eine Objekt-Kategorie $OCAT_{X}$.
  3. Ein Lerner zeigt auf ein Objekt $OBJ_{x}$, zu dem es schon eine Objekt-Kategorie $OCAT_{X}$ gibt, und hört ein Lautereignis $REPR_{y}$. Falls es noch keine passende Laut-Kategorie $RCAT_{Y}$ gibt, bildet er eine Laut-Kategorie $RCAT_{Y}$ neu. Sowohl im Fall, dass es schon eine Laut-Kategorie gab bzw. im Fall, dass eine neu gebildet wurde, fügt der Lerner ein Kontextmerkmal $OCAT_{X}, GEST_{P}$ zur Laut-Kategorie hinzu.
  4. Ein Lerner hat eine Objekt-Kategorie $OCAT_{X}$ und eine Laut-Kategorie $RCAT_{Y}$ und besitzt dazu einen Kontextmerkmal $OCAT_{X}, GEST_{P}$, d.h. zum Objekt der Kategorie gab es eine Zeigeaktion, die ein Lautereignis der Kategorie $RCAT_{Y}$ nach sich zog. Deswegen bildet er eine Zeichenbeziehung zwischen $OCAT_{X}$ und $RCAT_{Y}$.
  5. Ein Lerner sieht ein Objekt und äußert dazu mit $name-it()$ einen gelernten Ausdruck.
  6. Ein Lerner hört einen Ausdruck und zeigt dazu mit $show-it()$ auf ein passendes Objekt in seiner Umgebung, falls vorhanden.

Hinweis: Diese Annahmen implizieren, dass ein Lerner über folgende Aktionsmöglichkeiten verfügt:

  1. Bewegungen {0,1, ..., 8}
  2. Essen
  3. Zeigen (mit Richtung)
  4. Laute äußern

Zugleich muss man festlegen, wie sich diese verschiedenen Aktionen einem anderen Lerner (als Beobachter) darstellen.

Gerd Doeben-Henisch 2014-01-14