Fundierung von Zeichen

Benutzt man einen Zeichenbegriff wie den von Peirce, stellt sich die Frage, ob und wie man diesen in der Welt 'fundieren' kann (Vogt bezieht sich hierbei auf Harnard [174]). Harnard betrachtet den Fall, dass ein Zeichen Bezug nehmen soll auf Objekte/ Ereignisse/ Sachverhalte in der 'Welt', und zwar basierend auf den proximalen sensorischen Stimuli sollen die distalen Auslöser unterschieden und dann identifiziert werden können. Die nachfolgende Koppelung an einen Repräsentanten sollte dann 'stabil' sein, in vielfachem Sinne 'invariant' und reproduzierbar zwischen verschiedenen Zeichenbenutzern.

Figure 4.12: Vom distalem zum proximalen Reiz zum umgewandelten (Transformierten) Reiz
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Bezeichnen wir die Abbildung von einem distalen Reiz $O$ in einer Welt $W$ auf den sensorischen Input $ I$ eines Trägersystems $ S$ mit $ainp()$ und umgekehrt die (Antwort-)Aktion eines solchen Trägersystems mit $act()$,


$\displaystyle ainp$ $\textstyle :$ $\displaystyle W \times O \mapsto I \times S$ (71)
$\displaystyle perc$ $\textstyle :$ $\displaystyle I \mapsto IS$ (72)
$\displaystyle act$ $\textstyle :$ $\displaystyle IS \mapsto O$ (73)

dann müssten zwei Mitglieder $p,p'$ einer Population $POP$ bei gleichem distalem Reiz $O$ einen Input $I,I'$ empfangen, der sich in 'hinreichend gleichen' Antwortreaktionen manifestiert. Man könnte dies das Postulat der K-gleichen Antwort bei gemeinsamen distalem Reiz nennen. 'K-gleich' meint dabei, dass es ein überprüfbares Kriterium $K$ gibt, anhand dessen sich die 'Gleichheit' entscheiden lässt:


$\displaystyle POP$ $\textstyle =$ $\displaystyle \{p\vert p=\langle I,IS,O,perc,act\rangle\}$ (74)
$\displaystyle ainp(W,O,p)$ $\textstyle =$ $\displaystyle I$ (75)
$\displaystyle ainp(W,O,p')$ $\textstyle =$ $\displaystyle I'$ (76)
$\displaystyle act(perc(p,I))$ $\textstyle =$ $\displaystyle act(perc(p',I'))$ (77)

Dabei spielt es keine Rolle, wie ein Trägersystem $ S$ diese Leistungen im einzelnen erbringt. Es soll hier unterstellt werden, dass nur solche Trägersysteme eine Population $POP$ bilden, die strukturell 'hinreichend ähnlich' sind.

Angenommen, das Postulat einer K-gleichen Antwort bei gemeinsamen distalem Reiz wird erfüllt, dann müsste man nicht nur zeigen, wie allgemein eine 'Wahrnehmung' $perc$ (für 'perception') funktioniert, sondern man müsste entweder als Teil der Wahrnehmung oder als Erweiterung zeigen, wie wahrnehmungsgeleitet eine Interpretationsbeziehung $Interpret$ aufgebaut wird. Die Wahrnehmung als solche liefert mit $perc(I)=IS$ zwar irgendwelche inneren Zustände, sie sagt aber nichts darüber aus, ob diese eine Interpretationsbeziehung enthält, die mit dem Konzept eines 'Zeichens' korreliert. Für höhere kognitive Leistungen hält Vogt dies aber für unabdingbar (vgl. Vorgt [442]:432).

Aufsetzpunkt für den Zeichenbegriff im Trägersystem $ S$ wäre nicht der distale Reiz $O$ selbst, sondern irgendwelche 'Verallgemeinerungen' ('categories') $OCAT$ im Ausgang von der Wahrnehmung, also


$\displaystyle OCAT$ $\textstyle \subseteq$ $\displaystyle IS$ (78)
$\displaystyle Interpret$ $\textstyle :$ $\displaystyle R \leftrightarrow OCAT$ (79)

Entsprechend darf man auch vermuten, dass nicht der Repräsentant $R$ als distaler Reiz benutzt wird, sondern ebenfalls irgendwelche Verallgemeinerungen $RCAT$, also


$\displaystyle RCAT$ $\textstyle \subseteq$ $\displaystyle IS$ (80)
$\displaystyle Interpret$ $\textstyle :$ $\displaystyle RCAT \leftrightarrow OCAT$ (81)

Für die Wahrnehmung bedeutet dies:


$\displaystyle perc$ $\textstyle :$ $\displaystyle I \mapsto OCAT \cup RCAT$ (82)
$\displaystyle OCAT \cup RCAT$ $\textstyle \subseteq$ $\displaystyle IS$ (83)

Dies bedeutet, dass selbst dann, wenn im Sinne einer Fundierung in der zu einem Trägersystem $ S$ externen Welt $W$ Objekte, Ereignisse usw. als distale Reize ihren Ausgang nehmen und dann als proximale Reize $ I$ auf die Sensoren einwirken, und die Sensoren dann im Rahmen der Wahrnehmung $perc()$ diese proximalen Reize in abstrakte interne Zustände - 'Kategorien' genannt - umformen, selbst dann hätte man noch keine 'Zeichen'. Diese entstehen nur innerhalb einer interpretierenden Beziehung $Interpret$.

Gerd Doeben-Henisch 2014-01-14