Sprachspiele

Um einen Lernprozess von Trägersystemen $ S$ zu simulieren, greift Vogt auf das Konzept des 'Sprachspiels' ('language game') zurück, das vor allem von L.Wittgenstein (1889 - 1951) populär gemacht wurde. Die wichtigsten Ideen dazu finden sich in den Philosophischen Untersuchungen[474]. Die Nutzung des Sprachspielkonzepts im Bereich von Sprache lernenden Robotern wiederum ist durch L.Steels populär geworden (diverse Artikel, siehe Literaturverzeichnis), Ansätze, die Vogt in seinem Artikel aufgreift und auf seine Weise variiert.

Zentral ist hier ein Sprachspiel, das das 'Schätzspiel' ('guessing game') genannt wird. Die Grundidee dieses Schätzspiels bei Vogt nur sehr kursorisch geschildert. Im Folgenden wird eine von Vogt abweichende Präzisierung (zunächst informell) angenommen:

  1. Gegeben ist eine Population $POP$ von semiotischen Systemen mit mindestens zwei Mitgliedern $S_{1}, S_{2}$.
  2. In der Welt gibt es mindestens zwei verschiedene Objekte $O_{1}, O_{2}$, die als distaler Reiz dienen können.
  3. Objekte sind entweder 'unterschiedslos gleich' oder unterscheiden sich in mindestens einer Eigenschaft $E_{i}$.
  4. Es wird angenommen, dass zu Beginn des Spiels noch keines der Systeme eine Benennung für diese Objekte generiert hat.
  5. Folgende Fallunterscheidungen für den Bereich des proximalen Reizes für ein System werden angenommen:

    Dies ist Tabelle Nr.5
    Action $I_{R}$ $I_{O}$
    Nothing 0 0
    Speak 0 1
    Show 1 0
    Naming, Speak and Show 1 1

  6. Wenn weder ein Repräsentant noch ein Objekt als Reiz auftritt, passiert gar nichts.
  7. Wenn nur ein Objekt $I_{O}$ auftritt, führt dies bei vorhandener Benennungsbeziehung $Interpret(o)=r$ zu einer sprachlichen Äußerung; falls keine Benennungsbeziehung vorliegt, passiert gar nichts.
  8. Wenn nur ein Repräsentant $I_{R}$ auftritt, führt dies bei vorhandener Bedeutungsbeziehung $Interpret(r)=o$ zu einer Zeigeaktion; falls keine Bedeutungsbeziehung vorliegt, passiert gar nichts.
  9. Wenn sowohl ein Repräsentant $I_{R}$ als auch ein Objekt $I_{O}$ auftritt, führt dies bei noch nicht vorhandener Bedeutungsbeziehung $(r,o) \notin Interpret$ zur Einführung einer neuen Beziehung; falls die Beziehung $(r,o)$ schon vorliegt, passiert entweder nichts oder das System spricht oder es zeigt, oder spricht und zeigt.
  10. Wenn ein proximaler Reiz $\{I_{R}, I_{O}\}$ auftritt, dann wird die Wahrnehmung $perc()$ aktiviert. Diese erzeugt aus dem Input $\{I_{R}, I_{O}\}$ eine abstrakte (kategoriale) Repräsentation. Im Falle eines Repräsentanten $I_{R}$ mit $perc()$ eine abstrakte Repräsentation und zwar $perc(I_{r})= r \in RCAT, perc(I_{O})=o \in
OCAT$.
  11. Tritt sowohl ein Repräsentant wie auch ein Objekt zugleich neu auf, generiert das System eine neue Interpretationsbeziehung $(r,o) \in Interpret$.
  12. Entsprechend den vier Fällen in der Tabelle 5 fällt das Sprechverhalten des Systems unterschiedlich aus. Im Fall nur Objekt spricht es die zugehörige Bezeichnung aus, falls vorhanden; im Falle von nur Repräsentant zeigt es auf das Objekt, falls die Beziehung schon gelernt wurde; Im Falle, dass beide gleichzeitig auftreten zeigt es auf das Objekt und spricht zugleich die Bezeichnung aus.
  13. Tritt im proximalen Bereich mehr als ein Objekt oder mehr als ein Repräsentant auf, dann wird mittels eines Kriteriums $K$ jeweils ein Objekt und/ oder ein Repräsentant ausgewählt. Im Grenzfall geschieht dies zufällig. Wird ein Objekt aus mehreren ausgewählt, dann zeigt das System auf das ausgewählte Objekt.
  14. Zeigeaktionen sind so, dass ein anderes System diese sehen kann.

Gerd Doeben-Henisch 2014-01-14