Historische und methodische Anmerkung: AI, KI, CI

Das Thema dynamisches Wissen ist begrifflich und methodisch zu sehen als Teil -oder Fortsetzung- eines Bereiches, der in der Vergangenheit als Gebiet der künstlichen Intelligenz (KI) (im Englischen Artificial Intelligence (AI) bezeichnet wurde. Seit Ende des 20.Jh wird dieser Begriff mehr und mehr durch den Begriff der Computational Intelligence (CI) überlagert.

Eine kurze, kompakte Darstellung der Geschichte der KI findet sich in der Einleitung von Goertz und Wachsmuth zum Handbuch der künstlichen Intelligenz (vgl.[88])(dort weitere Literaturhinweise, im Kapitel 2 eine gute Übersicht zur Verknüpfung speziell von Informatik und Psychologie (vgl. [269] ). Eine Analyse aus methodischer Sicht findet sich bei Döben-Henisch (2006) [54], Döeben-Henisch (2007)[52] sowie insbesondere Döben-Henisch et al. (2008)[51]. Für den vorliegenden Text wichtig ist die zentrale Unterscheidung in 'symbolische' und 'sub-symbolische' KI.

In der symbolischen KI (siehe z.B.[221], [197]) geht man -vereinfacht- davon aus, dass man das Phänomen der Intelligenz durch Fokussierung auf symbolische Repräsentationen und deren Verarbeitung hinreichend behandeln kann, ohne auf die zugrundeliegende Maschinerie explizit eingehen zu müssen. Dieser Ansatz ist stark Logik- und Regelorientiert. Zwei typische Methoden sind hier die sogenannten Semantischen Netze (auch Begriffsnetze genannt) und regelbasierte Systeme (auch Expertensysteme genannt) (siehe [221], [256], [197], [87]). Es hat sich aber gezeigt, dass der Versuch, grosse Systeme zu konzipieren, die in sich verändernden Umgebungen mit unscharfem und unvollständigen Wissen in einer gewissen Selbständigkeit agieren müssen (z.B. autonome Roboter), mit dieser Methodik praktisch nicht zu modellieren und zu implementieren sind.

Demgegenüber wird der Ansatz der sub-symbolischen KI durch die Tatsache motiviert, dass die einzige bis heute bekanntgewordene Struktur, die im umfassenden Sinne Intelligenzeigenschaften zeigt, das menschliche Gehirn in Verbindung mit einem geeigneten Körper ist. Schon frühe Versuche (siehe [170],[109], [228], [229]) zeigten, dass Modelle neuronaler Netze ganz anders geeignet erscheinen, die vielfältigen Anforderungen an ein künstliches System der Intelligenz zu erfüllen. Trotz einer schwierigen Anfangsphase des subsymbolischen Ansatzes, hervorgerufen durch eine kritische Analyse Minskys und Paperts (siehe: [182]), konnte sich der Ansatz des Neurocomputings -wie es heute auch genannt wird- immer weiter durchsetzen. Aus dem Bereich der Robotik und komplexer Teilanwendungen (z.B. Spracherkennung, Bilderkennung) sind neuronale Netze daher heute nicht mehr wegzudenken. Die stärkere Einbeziehung der neueren Erkenntnisse aus der Neurobiologie -in Verbindung mit psychologischen Lerntheorien- tut ihr Übriges, um das Paradigma einer neuronal basierten Modellierung zu unterstützen (für eine knappe historische Darstellung der Geschichte des konnektionistischen Ansatzes siehe auch Zell 1994, Kap.1 ([310]), ausführlicher, wenngleich älter, Anderson et.al. 1988 ([1])).

Im Bereich des Neurocomputings muss man mittlerweile aber auch differenzieren zwischen jenen Ansätzen, die versuchen möglichst nahe am biologischen Vorbild zu modellieren und jenen, die nurmehr Grundeigenschaften biologischer neuronaler Netze übernehmen, sie aber dann in technischen Anwendungen benutzen und dabei auf mathematische Eigenschaften zurückgreifen, die keine direkte Entsprechung im biologischen Vorbild haben. Im vorliegenden Text werden diese beiden Richtungen als biologisch motivierter und zum anderen als technisch motivierter Konnektionismus bezeichnet. Eine knappe Gegenüberstellung der Eigenschaften von biologisch bzw. technisch motivierten neuronalen Zellen findet sich in Kap.2 von Zell 1994 ([310]).

Allerdings darf man nicht übersehen, dass die Themen Intelligenz, Wissen und Lernen historisch schon vor dem Auftreten der neuen KI in anderen Disziplinen wie z.B. in der Philosophie und der vorwissenschaftlichen Psychologie untersucht worden sind. Auch heute hat die KI vielfache Überschneidungen mit zahlreichen Disziplinen, die auch unter dem Oberbegriff der Kognitionswissenschaften ('cognitive science') zusammengefasst werden.

Aus wissenschaftstheoretischer Sicht (vgl. [54]) ist eine Kombination verschiedener Untersuchungsperspektiven (phänomenologisch, verhaltensbasiert, physiologisch (neuronal), und Kombinationen von diesen) nicht nur möglich, sondern methodisch sogar gefordert. In diesem Text wird daher der in Döben-Henisch (2006) [54] herausgearbeitete methodische Rahmen übernommen und auf das Phänomen des dynamischen Wissens angewendet.

Gerd Doeben-Henisch 2010-12-16