Will man über das Phänomen der Zeit sprechen, benötigt man eine geeignete Sprache. Visuell wird Zeit oft als ein gerichteter Pfeil dargestellt, auf dem man gleiche Wegstrecken abträgt und sagt, dass jeder Markierung ein 'Zeitpunkt' entsprechen soll. Mit der Sprache der Mathematik kann man eine Zeitstruktur einführen, z.B. eine Menge von Zeitpunkten , über die man eine Ordnung definiert. Dazu findet man oft folgende Charakterisierung (siehe z.B. Kopetz (1997)[49]:46f):
TIME(x) gdw x = mit
Diese mathematische Charakterisierung ist aber nicht unproblematidsch, da bei der Anwendung dieses Modells auf die reale Welt (s.u.) nur solche Zeitpunkte fassbar sind, die auch tatsächlich gemessen werden können. Für die Messung benötigt man aber Zeitpunkte mit einem gleichmässigen Abstand d, die sich mittels technische Systeme (Uhren) messen lassen. Im Falle technischer Systeme ist aber generell grösser als Null ., d.h. man kann nur Zeitpunkte messen, die den Wert haben oder aber . Damit induziert man aber eine diskrete Struktur, für deren Darstellung die natürlichen Zahlen ausreichen. Damit sollte man die Dichteannahme modifizieren:
Für eine gegebene Zeitstruktur T kann man eine Realisierung -oder Historie- definieren, die zu verstehen ist als eine Folge der Art:
HISTORY(h,x) gdw
Unter Voraussetzung einer Zeit-Struktur kann man dann die Prädikate vorher, nachher sowie zur gleichen Zeit definieren. Wie aber kann man solche formalen Gebilde zu realen Prozessen in der realen Welt in Beziehung setzen?
Um diese Frage der Zuordnung von visuellen oder formalen Zeitrepräsentationen zu realen Zeitprozessen vornehmen zu können, benötigen wir einen realen Prozess in der realen Welt, mittels dem man das Konzept Zeit operationalisieren kann.
Aus praktischer Sicht interessiert die Menge der Zeitpunkte vor allem deswegen, weil man bestimmten Ereignissen Zeitpunkte ('timestamps') zuordnen möchte, um dadurch sagen zu können, dass 'etwas' 'zum Zeitpunkt t' 'stattgefunden' hat.
Eine solche Zuordnung von Zeitpunkten aus einer Zeitstruktur zu einer Menge von Ereignissen (E) in der realen Welt stellt eine Abbildung dar:
Der Ausdruck
Würde man auf diese Weise z.B. folgende Zuordnungen vornehmen:
Dann könnte man aufgrund der zugeordneten Zeitpunkte sagen, dass die Grösse zeitlich vor den beiden Grössen und aufgetreten ist und die Grössen und sind zeitgleich (simultan) aufgetreten. Aufgrund solch eines zeitlichen Verhältnisses könnte man vermuten, ob zwischen dem Auftreten von Grösse e1 und den zeitlich späteren Grössen und möglicherweise eine kausale Beziehung besteht. Solche Überlegungen wären aber nur dann sinnvoll, wenn die zuvor vorgenommen zeitlichen Zuordnungen 'genau genug' sind. Wäre die zeitliche Zuordnung nicht genau genug, dann könnte es möglicherweise sein, dass die Grössen oder eventuell 'in Wirklichkeit' vor der Grösse aufgetreten sind.
Gerd Doeben-Henisch 2013-01-16