Semiotische Grundbegriffe
Sieht man von den Besonderheiten der verschiedenen Autoren ab, so kann man von heute aus gesehen folgenden Grundkanon
an semiotischen Begriffen erkennen:
- [Zeichenrepräsentant (R)]: Der Zeichenrepräsentant ist ein unterscheidbares Etwas, mit dem man auf ein
anderes unterscheidbares Etwas - meist 'Objekt (O)' genannt - verweisen kann. Allgemein ist ein Zeichenrepräsentant
auch ein Objekt (also: ), aber eben ein solches, das dazu verwendet wird, um auf andere Objekte zu
verweisen.
- [Objekt (O)]: Das Objekt ist ein unterscheidbares Etwas, das im Kontext des Zeichengebrauchs jenes Etwas
ist, auf das ein anderes unterscheidbares Etwas - Zeichenrepräsentant (R) genannt - verweisen kann.
- [Interpretant (I)]: Der Interpretant ist ein Etwas, mittels dem eine Beziehung zwischen einem
Zeichenrepräsentanten und einem Objekt hergestellt werden kann. Abstrakt betrachtet realisiert ein Interpretant eine
Abbildung zwischen Zeichenrepräsentanten und Objekten, also
. Von 'links' nach 'rechts'
gelesen, also , spricht man auch von einer Bedeutungsbeziehung in dem Sinne, dass das Objekt
die 'Bedeutung' des Zeichenrepräsentanten darstellt; ein konkreter Repräsentant 'bezeichnet' dann das
Objekt . Umgekehrt kann man auch sagen, dass ein Objekt von dem Zeichenrepräsentanten 'bezeichnet' wird. Von
'rechts' nach 'links' kann man auch sagen, dass ein Objekt aus einer bestimmten Bedeutungsbeziehung
bei seinem Auftreten wegen einen bestimmten Zeichenrepräsentanten 'induziert', 'hervorruft'.
- [Type - Token]: Die Praxis des Zeichengebrauchs hat gezeigt, dass man unterscheiden muss zwischen einem
konkret auftretenden Zeichenrepräsentaten
(ein bestimmter Laut, eine bestimte Handschrift) und
der allgemeinen 'Klasse' des Zeichenrepräsentaten. So kann es - normalerweise - verschiedene Vorkommnisse
von Zeichenrepräsentaten geben, die im Sinne der Bedeutungsbeziehung 'gleichwertig' sind. Dies bedeutet, dass
ein Zeichenbenutzer offensichtlich eine abstrakte Klasse bilden kann, die für viele mögliche konkrete
Realisierungen stehen kann. Die konkreten Vorkommnisse nennt man im Englischen oft 'token' oder
'sinsigns' und die zugehörige allgemeinen Klasse 'type' bzw. 'legisign'. Wir werden in diesen Fällen
von 'Vorkommnis eines Zeichenrepräsentanten' ('token') bzw. von einer 'Klasse eines Zeichenrepräsentanten' ('type')
sprechen.
- [Objekt - Konzept]: Im Prinzip gilt die Type - Token Unterscheidung auch für Objekte, die keine
Zeichenrepräsentanten sind. Um Verwechslungen zu vermeiden, bentutzen wir hier stattdessen das Begriffspaar
'Objekt' vs. 'Konzept'. Ein Objekt
ist ein reales Vorkommnis eines Objektes (z.B. ein konkretes
Glas auf dem Tisch, eine konkrete Tasse, usw.). Das 'Konzept' bildet eine Art 'Zusammenfassung' vielere verschiedener
Vorkommnisse als gleichwertige Mitglieder eines Konzepts (so können z.B. ganz verschiedene konkrete Gläser alle als
Mitglieder des Konzepts 'Glas' verstanden werden).
- [Syntax]: Im einfachen Fall stellt die Syntax eine Abbildung dar von allen möglichen Zeichenketten eines
'Alphabets (A)' auf solche Zeichenketten, die als Zeichenrepräsentanten in einem semiotischen Prozess 'akzeptiert'
werden, also
. Im einfachen Fall hat man einfach eine 'Liste' von 'zugelassenen Zeichenketten'.
Zu beachten ist, dass ein Alphabet im allgemeinen Fall nicht nur aus 'geschriebenen' Zeichen bestehen kann, sondern
auch aus 'Lauten', 'Gesten' und was sonst noch als 'unterscheidbares Etwas' benutzt werden kann. In der Realität
gesprochener Sprachen gibt es die Schwierigkeit umfassend festzustellen, welche Zeichenrepräsentaten zu einem
bestimmten Zeitpunkt überhaupt zu einer Sprache gehören.
- [Semantik]: Die Semantik beschreibt im einfachen Fall die Menge aller Bedeutungsbeziehungen, also
. Da die Bedeutung selbst aus konkreten Objekten besteht, die sich normalerweise nur aufzeigen
lassen,
ist es in der Realität gesprochener Sprachen normalerweise unmöglich, eine Semantik so aufzuschreiben, dass alle
Beudeutungsbeziehungen zweifelsfrei erkennbar sind. Darüberhinaus gilt auch hier das schon bei der Syntax Gesagte, dass
es unmöglich ist, umfassend festzustellen, welche Bedeutungsbeziehungen zu einem bestimmten Zeitpunkt überhaupt zu
einer Sprache gehören.
- [Pragmatik]: Im einfachen Fall beschreibt die Pragmatik die Beziehung eines Zeichenbenutzers zu den
verwendeten Zeichenrepräsentanten. Da der Zeichenbenutzer in semiotischer Sicht nur als 'Interpreter' existiert, also
als die Gesamtheit der Bedeutungsbeziehungen, kann man die Pragmatik verstehen als Abbildung der Art
, also bei welcher Art von Bedeutungsbeziehung wird welcher Zeichenrepräsentant erzeugt.
- [Kontext (C)]: Eine Analyse der Bedeutungsbeziehung legt die Annahme nahe, dass man diese
bisherige Menge von Grundbegriffen noch um mindestens einen Begriff erweitern sollte. Dies ist der Begriff des
'Anwendungskontextes (C)'. Damit ist gemeint, dass ein bestimmter Zeichenrepräsentant (z.B. 'Kannst Du bitte
das Fenster öffnen') nicht immer angewendet wird, sondern nur dann, wenn eine entsprechende Situation vorliegt
(schlechte Luft im Zimmer, eine Person A kann ein Fenster öffnen, der Sprecher steht in solch einer Beziehung zur
Person A, dass er A darum bitten kann, usw.). Im Falle der Pragmatik würde dies bedeuten, dass wir haben
. D.h. nur wenn die Kontextmerkmale 'erfüllt' wären würde von der semantischen Beziehung Gebrauch
gemacht werden, indem der Sprecher den Zeichenrepräsentanten äußert. Möglicherweise muss man bzgl. des Kontexts
(C) dann noch unterscheiden zwischen Gegebenheitem 'im' Sprecher und solchen 'außerhalb' des Sprechers.
Gerd Doeben-Henisch
2014-01-14