Standard Theorie

Figure 2.2: Rahmen für Standard Theorie
\includegraphics[width=4.5in]{wiss_theorie_rahmen.eps}

In der Standard Theorie (vgl. besonders den Eintrag 'Theoriesprache' in der Enzyklopädie Wissenschaftstheorie (1995) [183] kann man historisch unterschiedliche Phasen in der Auffassung erkennen, was eine Theorie ist. Wie man aus dem Bild 2.2 erkennen kann, muss man mindestens folgende Momente im Kontext einer wissenschaftlichen Theorie unterscheiden:

  1. Die Beobachtungen müssen mit Messverfahren verknüpft sein, die eine beobachterunabhängige Messung von Daten erlauben.
  2. Da einzelne Messwerte für sich keine Beziehungen erkennen lassen, benötigt man zur Interpretation der Zusammenhänge von Messdaten die Formulierung von Zusammenhängen in einer Theorie T.
  3. Unterscheidet man die Sprache der Daten $L_{DAT}$ und die Sprache der Theorie $L_{TH}$ dann benötigt man Abbildungsbeziehungen zwischen den Begriffen von $L_{DAT}$ und den Begriffen von $L_{TH}$.
  4. Eine Theorie T kann man auf mindestens zwei Weisen realisieren: (i) die historisch älteste Form versteht unter einer Theorie eine Menge von Postulaten bzw. Axiomen, die spezielle Begriffe (theoretische Terme) enthalten, die nur innerhalb dieser theoretischen Sätze eine implizite Bedeutung besitzen. Die Postulate formulieren gesetzmässige Zusammenhänge. Solche Theorien, die als eine Mengen von Postulaten realisiert sind, bezeichnet man auch als statement View. (ii) Ab den 70iger Jahren des 20.Jahrhunderts gab es dann noch jene Auffassung, die als non-statement view bezeichnet wurde. Hier wird der Theoriekern in Form von Strukturen präsentiert $\langle M_{1}, M_{2}, ...,f_{1}, f_{2}, ... \rangle$ mit Mengen $M_{i}$ und Relationen bzw. Funktionen $f_{i}$, die über diesen Mengen definert sind. Solche Strukturen werden in diesem Kontext auch Modelle genannt, mit der folgenden Unterscheidung: Reine Strukturen, ohne zusätzliche Axiome, heissen potentielle Modelle, während solche Strukturen, die zusätzlich noch durch Axiome spezifiziert sind, Modelle heissen. Potentielle Modelle weden dazu benutzt, um Anwendungsbereiche zu repräsentieren.
  5. Im Falle des non-statement view ist der bezug zur Empirie nicht ganz klar. Im sogenannten semantischen Ansatz wird die Bedeutung der Modelle wiederum über Domainen Modelle repräsentiert, auf die hin die theoretischen Modelle interpretiert werden. Da aber Domainen Modelle selbst wieder mathematische Strukturen sind, ist damit das Abbildungsproblem zur empirischen Realität hin nur verschoben und unklar. Im Ansatz über Abbildugsprinzipien werden die Modelle direkt auf Messoperationen bezogen. Hier gelten dann ähnliche Bedingungen wie im Falle des statement view.
  6. Sofern eine formale Theorie mitsamt einer geeigneten Logik gegeben ist, lassen sich aus einer Theorie zusammen mit verfügbaren Daten Folgerungen ('Theoreme') ableiten, die man zum Testen von Prognosen benutzen kann.
  7. Prognosen kann man duch Daten zwar bestätigen lassen, man kann Sie aber in der Regel nicht direkt widerlegen, da man Negationen von Feststellungen -also praktisch ihr 'Nichtauftreten- nicht messen kann. In der Beziehung von Theorien zu empirischen Daten liegt also eine prinzipielle Asymmetrie vor.

Gerd Doeben-Henisch 2010-12-16