Wissenschaftstheoretischer Status

Bei der Auswahl geeigneter psychologischer Ansätze lassen wir uns leiten von den verschiedenen Darstellungen zur Geschichte der Psychologie. Aus Sicht der Wissenschaftstheorie verdient dabei die Darstellung von Marx und Cronan-Hilix (1987)[167] einen gewissen Vorzug vor anderen. Sie ist die einzige, die versucht, ausgehend von einer Diskussion darber, was eine wissenschaftliche Theorie und eine praktizierte wissenschaftliche Disziplin ist, die Masse des Stoffs zu strukturieren. Gerade in dieser bewussten Reflexion auf die verwendeten Methoden und deren Ausarbeitung als Theorie zeigt sich dann sehr klar, dass die Psychologie generell -auch die sogenannte wissenschaftliche Psychologie- bis heute ein Theorieproblem hat. Mit Ausnahme eines Clark L.Hull (1884 - 1952) ( [119], [116], [117], [118]) gab es bis heute keinen Psychologen, der ernsthaft versucht hat, eine umfassende wissenschaftliche psychologische Theorie so auszuarbeiten, dass die Theorie strengen Ansprchen einer wissenschaftlichen Theorie gengte. Wenn berhaupt, dann beschränkt man sich mit formalen Theoriebildungen auf Teilaspekte bzw. Teilmodelle. Sehr häufig wird das Fehlen einer expliziten Theorie sogar bewusst als Besonderheit der Psychologie herausgestellt (neben vielen anderen u.a. B.F.Skinner (1904 - 1990)(siehe [245], [246], [247], [248], [249], [250], [251]) und seine Schule). Angesichts der Komplexität des menschlichen Verhaltens kann man diese Abstinenz von expliziten wissenschaftlichen Theoriebildungen bis zu einem gewissen Grade sogar verstehen, doch hat dies dazu gefhrt, dass sich das Feld der wissenschaftlichen Psychologie von aussen noch immer als ein Ansammlung von unfertigen, oft vagen Theorieansätzen darbietet, deren Einbeziehung in explizitere formale Zusammenhänge vielerlei Interpretationsarbeit bedarf.

Gerd Doeben-Henisch 2010-12-16