Im Folgenden soll jetzt schrittweise ermittelt werden, was sich aus dieser Aufgabenstellung an konkreten Anforderungen
ergibt. Ausgehend davon soll dann ein Lösungsmodell für eine mögliche Simulation erarbeitet werden.
Aktionen
- Grundsätzlich soll es Handlungen geben, die den Zustand eines Systems 'verbessern' oder 'verschlechtern'
können: andere sind 'neutral'.
- Handlungen sind individuell besser oder schlechter relativ zu einem Zustand des Systems (z.B. Energie), oder
global relativ zum Zustand der Population (z.B. Nachkommen).
- Die Herausforderung besteht darin, in einer begrenzten Zeit individuell genügend 'Energie' zu finden, um zu
leben, und während dieser Zeit 'Nachkommen' hervorzubringen, die auch überlebensfähig sind. Letzteres ist nicht trivial,
falls die Welt sich ändert. Zur Erzeugung von Nachkommen müssen zwei Akteure unterschiedlichen Geschlechts sich
befristet zu einer Fortpflanzung verbünden.
- Erhöhung der individuellen Energie ist 'positiv'. Nachkommen durch Paarung erzeugen
ist 'positiv'.
- Im Gegensatz zu einem klassischen genetischen Algorithmus werden die Mitglieder einer Population nicht '
automatisch' bewertet und 'selektiert', sondern die Bewertung von Aktionen geschieht 'intrinsisch' in den Systemen und
Nachkommen entstehen nur dann, wenn der Mechanismus der 'Paarung' funktioniert.
- Eine Population stirbt entweder aus, weil es zu wenig Nachkommen gibt, oder sie überlebt bzw. vermehrt sich.
Damit die oben aufgestellten Forderungen umgesetzt werden können, wird eine Welt benötigt, die die entsprechenden
Möglichkeiten bietet.
Welt
- Es muss in der Welt Zustände geben, die im Input eines Akteurs (i) die Energie erhöhen und (ii) es muss
hinreichend viele Akteure mit unterschiedlichem Geschlecht geben.
- Es muss also Objekte geben, die Energie übermitteln
, und diese müssen mindestens
eine Eigenschaft haben, anhand deren man sie von anderen unterscheiden kann
.
- Bei den Objekten, die Akteure sind, muss es mindestens eine Eigenschaft geben, anhand deren man ihre '
Geschlecht' erkennen kann:
.
- In einer 'partiell monotonen' Welt sind alle Objekte 'statisch' außer den Akteuren . Akteure können ihre
Position ändern und damit ihre Relation zu den statischen Objekten.
- Es wird ein zweidimensionales Feld
angenommen mit jeweils einem Objekt auf einer
Position.
- Es gibt dann folgende Art von Objekten: Freie Fläche ohne Energie
; Objekte die
Energie übermitteln
; Objekte, die Akteure sind mit zwei verschiedenen Geschlechtern .
- Wenn ein Akteur sich 'neben' einem Objekt befindet das Energie abgibt und er führt eine Aktion 'Essen' aus,
dann wird sein Energiehaushalt erhöht:
.
- Wenn sich zwei Akteure unterschiedlichen Geschlechts begegnen (d.h. sich 'sehen'), dann steigt der Lustpegel an
. Kommt es zu einer Kooperation , dann ist der Lustpegel maximal . Danach fällt
er wieder ab . Für eine festgelegte Zeit ist ein Geschlecht dann 'schwanger' , bis es zur
Geburt eines neuen Akteurs kommt
. Ein Akteur, der schwanger ist, kooperiert nicht.
Nach der bisherigen Beschreibung des Verhaltens der Akteure in der partiell monotonen Welt stellt sich die Frage, nach
dem Lernen. Was sollen die Akteure lernen können? Mann könnte sie (i) rein zufällig agieren lassen, (ii) ganz und gar
deterministisch, oder eben (iii) mit Lernen.
Die 'zufällige' Variante sollte man auf jeden Fall als 'Benchmark' realisieren. Die 'deterministische' Variante ist nur
von begrenztem Interesse. Aber welche Art von Lernen ist interessant?
Lernen
- Ganz allgemein beginnt Lernen dort, wo ein Akteur in der Lage ist, auf einen Stimulus ab einem
bestimmten Zeitpunkt mit einer neuen Aktion zu 'antworten', die dann für eine gewisse Zeit 'stabil'
bleibt. Dies setzt voraus, dass die 'Verbindung' zwischen einem Stimulus und einer Antwort 'intern' 'verwaltet'
wird. Bei der Verhaltensfunktion
würde man also annehmen, dass es interne Zustände
gibt, die für diese Verbindung wichtig sind,
die sich ändern lassen.
- Im Falle der Energieaufnahme wäre es von Vorteil, wenn ein Akteur wenigstens lernen würde, die Energieobjekte
anhand ihrer charakteristischen Eigenschaften
zu 'identifizieren'.
- Im Falle einer Kooperation zum Zwecke der Fortpflanzung muss ein Akteur mindestens lernen, einen anderen
Akteur anhand der charakteristischen Eigenschaft
zu erkennen und dann, welche Aktion zum
entsprechenden Lustgewinn führt.
- Alle diese 'Lernaufgaben' erfordern im Prinzip eine Art 'Gedächtnis', um 'Beziehungen' ablegen und bewerten zu
können (Wahrnehmung eines Objektes z.B. als
).
- Sobald ein Agent gelernt hat, die verschiedenen Objekte anhand bestimmter charakteristischer Eigenschaften zu
unterscheiden und er weiß, welche Aktionen zum 'Vorteil' (Energie, Lust Nachkommen) führen, kann er mit
weniger Aktionen und in kürzerer Zeit Energie finden bzw. Nachkommen erzeugen.
- Im Falle der 'Erzeugung von Nachkommen' muss die Beziehung zwischen 'Genotyp' und 'Phänotyp' für einen
Erzeugungsprozess (Wachstum) festgelegt werden (genotyp als 'Bauplan' als binärer String und Phänotyp als handelnde
Struktur.
- Im Falle der 'Erzeugung von Nachkommen' werden auf die beiden Genome die üblichen genetischen Operatoren
angewendet.
Akteure können sich nach den bisherigen Anforderungen immer besser in der Welt bewegen, Energie finden und mit
anderen Akteuren für die Erzeugung von Nachkommen kooperieren. Dies alles geschieht ohne Zeichengebrauch. Laut
Aufgabenstellung soll der Zeichengebrauch aber so sein, dass er Vorteile bereitet für das Gewinnen von Energie und für
die Nachkommen. Wie kann das sein?
Zeichen als Benennung von Etwas
- Wir gehen hier davon aus, dass ein Zeichen dann vorliegt, wenn es ein 'Zeichenmaterial' gibt
, das über eine 'in einem Akteur realisierte Beziehung' assoziiert ist mit irgendwelchen anderen 'Repräsentationen
im Akteur'
. Diese Repräsentationen heißen hier 'Denotate' bzw. die 'Bedeutung'
des Zeichens. Wenn eine Repräsentation
einen 'Bezug zu einem Input' aufweisen kann, dann
sprechen wir von einer 'realen' oder 'empirischen' Bedeutung, andernfalls ist die Bedeutung 'abstrakt'/ 'virtuell'.
- Alle zuvor eingeführte Objekte
haben eine Repräsentation im Akteur und alle diese
Objekte sind 'real' in der Welt.
- Die Lernaufgabe besteht nun darin, die Repräsentationen der realen Objekte jeweils mit Zeichenmaterial zu einem
Zeichen zu verknüpfen. Die Beziehung zwischen Zeichenmaterial und designiertem Repräsentant bildet das 'Lexikon'. Es
ist eine offene Frage, ab wann man vermittelnde 'Kategorien' benötigt, die abstrakte Klassen von Repräsentanten
assoziieren.
- Ferner besteht die Lernaufgabe darin, dass sich die Akteure bei ihrem Zeichengebrauch 'koordinieren', d.h. dass
sie nach und nach für die gleichen Objekte die gleichen Zeichen benutzen.
Ist ein 'synchroner' Zeichengebrauch etabliert worden, stellt sich die Frage, in welchem Sinne der Zeichengebrauch
einen 'Überlebensvorteil' bietet. Ohne solch einen Zusammenhang lohnt sich der Aufwand nicht. Die erste Bedingung, die
erfüllt sein müsste, wäre die, dass der Zeichengebrauch eines Akteurs eine Wirkung auf andere Akteure haben kann.
Zeichengebrauch als Einflussnahme
- Angenommen, das Äußern eines Zeichens könnte weit über die aktuelle Position eines Akteurs hinaus 'wahrgenommen'
werden, sowohl als Äußerung wie auch 'aus welcher Richtung', dann könnte die Äußerung eines bestimmten Zeichens eine
entsprechende Information enthalten, sowohl um das Vorhandensein von Energieobjekten anzuzeigen wie auch, um die
Kooperation zu verbessern.
- Ist eine Zeichenäußerung 'wahrnehmbar' und wird als dominante Sprechaktfunktion eine 'Mitteilungsaktion'
angenommen, dann könnten andere Akteure aus einer Zeichenäußerung auf das Vorliegen eines Sachverhaltes dort schließen,
'woher' das Zeichen kommt.
- Im Falle einer Energieobjektes würde die Information gesendet, (i) dass dort ein Energieobjekt vorhanden ist und
(ii) in welche Richtung man suchen sollte. Dies kann den Weg und die Zeit zur Energieaufnahme verbessern. Im
unbekannten Gelände könnte eine Kooperation auf dieser Weise von Vorteil sein.
- Im Falle eines Akteurs würde die Information gesendet, (i) dass dort ein Akteur eines bestimmten 'Typs' ist, bzw.
(ii) eventuell zusätzlich noch, dass dieser Akteur einen entsprechenden 'Partner' sucht. Damit könnte der Prozess der
Kooperation für eine Fortpflanzung verbessert werden.
Gerd Doeben-Henisch
2014-01-14