Normale Systeme

Allgemein wird als Analyserahmen angenommen, daß wir die Welt ('world', W) immer so betrachten, daß sie aufteilbar ist in solche Systeme S, die uns interessieren, und in eine Umgebung ('environment', E) dieser Systeme, mit der diese Systeme in Wechselwirkung stehen. Man kann das auch so sehen, daß diese Systeme S das Komplement zur Umgebung E -$\overline{E}$- bilden. Diese Systeme S interagieren mit der Umgebung E und über diese untereinander. Her soll unter einem System eine abgrenzbare Einheit verstanden werde, die definierte Ereignisse aus der Umgebung registrieren (biologisch: wahrnehmen) und sie auf systemspezifische Weise (Systemfunktion) verarbeiten kann. Ferner verfügen Systeme über die Möglichkeit, auf die Umgebung mittels Aktionen (biologisch: Reaktionen) einwirken zu können. Dabei erweist es sich als hilfreich, zwischen Systemen im eigentlichen Sinne und 'gewöhnlichen' Objekten nicht weiter zu unterscheiden. Es zeigt sich nämlich, dass man jedes 'Objekt' als ein System beschreiben kann.


\begin{displaymath}W = \langle E, \overline{E}, EXISTS, ACT\rangle \end{displaymath}


\begin{displaymath}\overline{E} \subseteq 2^{S} \end{displaymath}


\begin{displaymath}EXISTS: \overline{E} \longmapsto \{0,1\} \end{displaymath}

Die $EXIST$-Funktion führt zu einem bestimmten Zeitpunkt ein System $S$ neu in die Welt $W$ ein (:= Wert '1') oder entfernt es wieder aus der Welt (:= Wert '0'):


\begin{displaymath}ACT \subseteq \{E, \overline{E} \} \times \{E, \overline{E} \} \end{displaymath}

Die $ACT-$-Relation beschreibt die Interaktion zwischen Umwelt E und den Systemen S. Es wird angenommen, dass ein System S oder die Umgebung E jeweils auf andere Systeme bzw. auf die Umgebung E einwirken kann. Sofern diese Systeme Einwirkungen registrieren können, können sie diese Einwirkungen intern weiterverarbeiten (Wahrnehmung, 'perception' (perc)).

Figure 7.1: Welt mit zwei Systemen
\includegraphics[width=4.0in]{welt_objekte_systeme.eps}

Das Bild 7.1 verdeutlicht diese Annahmen. Allerdings wird im Bild neben der Beziehung ACT noch die Beziehung SENS angenommen -quasi als Komplement zu ACT-, aber dies erweist sich als überflüssig. Wichtig ist nur, dass die Systeme aufeinander einwirken können. Die Wahrnehmung ist eine innere Eigenschaft des Systems.

Systeme $S$ werden hier verstanden als bestehend aus einem Systemkern $KERNEL$ und einer Systemoberfläche (Surface/ Interface) $SURF$. Die Systemoberfläche $SURF$ besteht aus einer Aggregation von Eigenschaften, also


\begin{displaymath}SURF \subseteq 2^{PROP}\end{displaymath}


\begin{displaymath}S \subseteq SURF \times KERNEL \end{displaymath}

Der Kernel selbst besteht aus den wahrgenommenen Zuständen $\Sigma^{*}$, einer Systemplattform $P$ und aus den Antwortzuständen $\Xi^{*}$:


\begin{displaymath}KERNEL \subseteq \Sigma^{*} \times P \times \Xi^{*} \end{displaymath}

Die Beziehung zwischen der Oberfläche eines Systems und seinem Systemkern wird durch eigene 'interne Schnittstellen' geregelt: dazu wird hier die Perception-Beziehung $PERC$ angenommen sowie die Response-Beziehung $RESP$.


\begin{displaymath}PERC : SURF \times S \longrightarrow \Sigma^{*} \end{displaymath}


\begin{displaymath}RESP : \Xi^{*} \longrightarrow SURF \times S \end{displaymath}

Für die interne Systemfunktion wird hier zunächst nur ganz allgemein angenommen, dass die Systemfunktion auf dfer Basis von Wahrnehmungen und der aktuellen internen Struktur die interne Struktur neu berechnet und Ausgabesignale bereitstellt:


\begin{displaymath}f: \Sigma^{*} \times P \longrightarrow P \times \Xi^{*} \end{displaymath}

Beispiele für Systeme sind natürlich alle biologischen Systeme. Bei ihnen werden spezielle Aussenweltereignisse -hervorgerufen durch $ACT$- von den in der Körperoberfläche integrierten Rezeptoren registriert (:= $PERC$) und in die interne Sprache (:= $\Sigma^{*}$ ) der neuronalen Netze übersetzt. Innerhalb des neuronalen Netze werden die Signale auf unterschiedliche Weise durch die (:= Systemfunktion $f$) zu internen Signale (:= $\Xi^{*}$) bzw. zu Änderungen der internen Strukturen verarbeitet. Die motorischen Reize (:= $\Xi$) können dann mittels der Antwortfunktion (:= $RESP$) auf die Oberfäche des Systems in Form von Veränderungen/ Bewegungen abgebildet werden. Diese Veränderungen können dann auf die Umgebung (:= $ACT$) einwirken. Bei technischen Systemen gibt es auch Sensoren, die Aussenweltereignisse in die Sprache des jeweiligen Systemkerns übersetzen (z.B. Bitstrukturen von mikroprozessorbasierten Systemen). Diese internen Signale werden verarbeitet, z.T. wieder für Stellsysteme (Aktoren) aufbereitet, die dadurch Einwirkung auf die Umgebung nehmen können.

Soweit einige erste allgemeine Annahmen zur Struktur von Systemen und deren Wechselwirkung untereinander. Was noch fehlt ist eine Beschreibung des möglichen Verhaltens von Systemen in einer Welt. Es wird angenommen, dass sich das Verhalten der Welt $W$ als eine Folge von Weltzuständen darstellen lässt (vgl. Bild 7.2), die wir hier als $HISTORY$ bezeichnen. D.h. es wird eine Folge von diskreten Zeitpunkt $t, t', t'', \cdots$ angenommen, so daß für paarweise benachbarte Zeitpunkt $t,t'$ gilt: $t' = t + d$ mit $d > 0$ als Zeiteinheit.

Figure 7.2: Verhaltensdynamik einer Welt W
\includegraphics[width=4.0in]{welt_systeme_verhalten.eps}

Zu jedem Zeitpunkt $t_{i}$ gibt es die Welt $W_{i}$ in einer bestimmten Konfiguration. Im Übergang von einem Zeitpunkt $t_{i}$ zu einem Folgezeitpunkt $t_{i+1}$ = $t + d$ werden die folgenden Gesetzmäßigkeiten angenommen:

  1. Mittels der $EXIST$-Beziehung werden Systeme neu eingeführt oder beendet
  2. Mittels der $ACT$-Beziehung werden Informationen von Systemen auf Systeme übertragen. Innerhalb eines einzelnen Systems wird eine $PERC$-Beziehung realisiert, d.h. die die Veränderungen der Oberfläche 'in das Innere' des Systems transportiert; Eigenschaften werden in Inputstrings aus $\Sigma^{*}$ übersetzt.
  3. Mittels der Systemkernfunktion $f$ werden die Inputstrings $\Sigma^{*}$ unter Berücksichtigung der aktuellen Plattform $P$ in veränderte Plattformzustände $P$ sowie in Outputstrings $\Xi^{*}$ konvertiert.
  4. Mittels der $RESP$-Beziehung werden in jedem System innere Zustände in Form von Ausgabestrings $\Xi^{*}$ in Eigenschaften der Systemoberfläche $SURF$ übersetzt. Von dort werden sie mittels der $ACT$-Beziehung auf die Oberflächen der anderen Systeme übertragen.
  5. Die Ausgabewerte eines Systems zum Zeitpunkt $t$ stehen zum Folgezeitpunkt $t + d$ als potentielle neue Eingabewerte zur Verfügung.

Dies ist eine erste informelle Beschreibung des Verarbeitungsprozesses eines Weltmodells mit interagierenden Systemen. Dies noch weiter zu präzisieren.

Gerd Doeben-Henisch 2010-12-16