CHAPTER IV: Scientific Description of Reality. 4.2: Postulates how to Semiotize Simple Measurement Operationss





'95-Knowbot

(The english annotations below are only a rough characterization of the content of the german text)






Remark: Compared to the preceding version a massive editing has happened


KAPITEL IV: Wissenschaftliche Beschreibung der Wirklichkeit. 4.2: Semiotisierungspostulate für einfache Meßoperationen




AUTHOR: Gerd Döben-Henisch
COAUTHOR: Joachim Hasebrook
DATE OF FIRST GENERATION: Jan 13, 1998
DATE OF LAST CHANGE: March 5, 1998
ADDRESS: INM - Institute for New Media, Frankfurt, Germany
EMAIL: doeb@inm.de
URL: INM
Copyright (c) Gerd Döben-Henisch
STATUS: Work in Progress
COOPERATION: Everybody is invited to share the discussions, to contribute with own ideas. The authors decide whether such contributions are accepted for incorporation in the final version.



Anmerkung: Gegenüber der letzten Version stark überarbeitet


    Critical Phenomenalism as general framework for Measurement


    Es wird hier mit der generellen Voraussetzung gearbeitet, daß der erkenntnistheoretische Ausgangspunkt des Messens durch den kritischen Phänomenalismus, wie er im vorausgehenden Kapitel eingeführt wurde, am besten beschrieben wird. Die Überlegungen beginnen mit dem Übergang vom Handlungsraum zum Zeichenraum, der hier als Semiotisierung bezeichnet wird. Nach einer Thematisierung der beim Messen wirkenden Annahmen wird eine formale Strukturtheorie des Messens vorgestellt. Im Anschluß daran werden einige typische Meßoperationen betrachtet. Diese Beispiele korrespondieren mit den Skalentypen Nominalskala, Ordinalskala, Intervallskala und Verhältnisskala. Abschließend wird der Fall untersucht, daß eine (empirische) Meßtheorie durch nicht-empirische Mengen und Relationen erweitert wird. Es folgt dann die offizielle Einführung des Theoriebegriffs sowie einiger weiterer wichtiger Begriffe (intertheoretische Relationen, Theorie und Computerprogramm, wichtige Forschungsparadigmen).


    The Basic Idea of Measurement


    Grundidee des Messens

    Wenn eine Gruppe von Untersuchern 'messen' will, dann wird dies ohne Einsatz ihres Körpers in einem Raum von Körpern nicht gelingen. 'Messen' bedingt ein Agieren in einem Eigenschaftsraum, in dem sich Objekte unterscheiden lassen. Ein Meß-Handeln charakterisiert sich dadurch, daß durch vereinbarte Handlungen das Vorliegen oder Nichtvorliegen von zuvor vereinbarten Eigenschaften in einem angebbaren endlichen Ausschnitt des Objektraumes festgestellt werden soll.

    Anmerkung: Hiermit wird vom üblichen Sprachgebrauch abgewichen, der den Begriff des 'Messens' an eine vorauszusetzende Metrik koppelt. Eine Metrik konstituiert sich durch sogenannte quantitative Begriffe (siehe dazu (STEGMÜLLER 1970, Bd.II, A, S.46 und weiter unten). Aus philosophischer Sicht erscheint diese Sicht aber zu restriktiv, da damit alle jene Vorgänge nicht beschreibbar sind, die im Vorfeld des quantifizierenden Messens schon erste Ordnungen konstatieren, die keineswegs trivial sind (In diesem Sinne äußert sich auch GIGERENZER 1981:117) Außerdem wird sich zeigen, daß es sehr wohl auch nicht-numerische Metriken gibt).

    In dieser Sicht bildet eine Gruppe von Untersuchenden den unhintergehbaren Referenzpunkt für alle zum Messen notwendigen Vereinbarungen. Dies gilt auch dann, wenn die Gruppe die Meßhandlungen nicht selbst durchführt, sondern durch geeignete Meßeinrichtungen vornehmen läßt.


    Introducing a Language


    Wenn sich zwei Untersucher über das Messen als einem Vorgang im Objektraum in irgendeiner Weise sprachlich verständigen wollen, dann müssen sie ein entsprechendes Zeichensystem, eine Sprache, einführen.

    Das Hantieren mit Zeichen führt grundsätzlich nicht aus dem Bereich des Hantierens mit Objekten hinaus, da Zeichen immer mittels eines Zeichenmaterials realisiert werden müssen; Zeichenmaterial aber ist nichts anderes als das Vorhandensein konkreter Objektkonstellationen, die durch bestimmte Eigenschaften charakterisiert sind.


    Sign Assemblages, formal Grammar


    Der Gebrauch von Zeichen setzt voraus, daß sich im Bereich des Zeichenmaterials kleinste, unterscheidbare Einheiten angeben lassen, die eine Menge von Grundelementen, ein Alphabet bilden. Aus diesen Grundelementen lassen sich dann durch festgelegte Handlungen/ Operationen/ Erzeugungsregeln diejenigen Kombinationen von Grundelementen bilden, die als wohlgeformte Ausdrücke im Rahmen des Zeichengebrauchs benutzt werden. Die Menge der hier einschlägigen Erzeugungsregeln konstituiert eine Grammatik/ Syntax. Denkbar sind genauso Analyseregeln die eine Zeichenkette durch mehrfache Anwendung in einfachere Bestandteile zerlegen bis daß entweder nur noch erlaubte Grundelemente des Zeichensystems übrigbleiben oder aber unzerlegbare Zeichen, die keine Grundelemente sind. Eine solche rein auf die Kombinatorik von Zeichenketten ausgelegte Grammatik ist eine formale Grammatik und die durch formale Grammatiken beschreibbaren Sprachen heißen formale Sprachen.


    Interpreted Signs


    In vielen Anwendungen benutzt man Zeichen und Zeichensysteme, um damit etwas vom Zeichematerial Verschiedenes zu bezeichnen/ repräsentieren. Dies setzt voraus, daß das zum Zwecke des Bezeichnens verwendete Zeichenmaterial Teil einer Zeichenhandlung ist, die einen Urheber/ Autor besitzt und einen Adressaten/ Empfänger. Die Zeichenhandlung muß so sein, daß der Adressat sie als Zeichenhandlung erkennen kann. Zeichenhandlungen, die sich aufgrund von Vereinbarungen auf etwas im Bereich der Körper Wahrnehmbares beziehen, haben ein Denotatum, ein objektives Etwas, auf das sie referrieren, das sie denotieren. Beziehen sich Zeichenhandlung auf ein bloß Gedachtes/ Vorgestelltes, ist die Identifikation dieses Bezeichneten schwieriger (oder gar unmöglich). Ein solches subjektives Bezeichnetes heißt ein Designat. Eine Zeichenhandlung, die sich auf ein Designat bezieht, designiert es.

    (Anmerkung. Zum ganzen Komplex Zeichen, insbesondere interpretiertes Zeichen siehe auch das nachfolgende Kapitel zur Geburt des Zeichens.)


    Meaning as the value of a signification.
    Eine allgemeine Bezeichnungsfunktion würde dann darin bestehen, daß Sprecher-Hörer in bestimmten Situationen bestimmten sprachlichen Ausdrücken bestimmte Referenten zuweisen. Eine Möglichkeit, in diesem Kontext sprachliche Bedeutung zu definieren besteht darin, die Bedeutung eines Ausdrucks mit dem Wert der Bezeichnungsfunktion dieses Ausdrucks, nämlich seinen Referenten (subjektiven wie objektiven), gleichzusetzen. Die Umkehrung der allgemeinen Bezeichnungsfunktion von Referenten, Sprechern-Hörern, Weltgegebeneiten zu sprachlichen Ausdrücken wäre dann eine allgemeine Artikulationsfunktion.


    The signifying function as such is no object of the space-time-world, it exists only in the knowledge of the speaker-hearer. Real objects are connected to this relation by perception.
    Es wird hier deutlich, daß das Bezeichnen eine Beziehung meint die zwischen einem sprachlichen Ausdruck, einem Sprecher-Hörer sowie dem zugehörigen bedeutungscharakterisierenden Referenten besteht. Diese Bezeichnungsrelation ist kein Objekt! Als Beziehung kann sie nur im Rahmen des Wissens eines Sprechers-Hörers als Wissensinhalt bestehen. Die im Wissen aufweisbaren charakteristischen Merkmale wären in diesem Falle einerseits eine Repräsentation des benutzten sprachlichen Ausdrucks sowie eine Repräsentation des Referenten sowie jene Merkmale, die die Art der Beziehung zwischen den Referenten repräsentieren. Sprachliche Bedeutung wäre dann einzuschränken auf die wissensmäßigen Repräsentationen von Referenten, die sich generell mit anderen Wissensinhalten in Beziehung setzen lassen, insbesondere natürlich auch mit sinnlichen Wahrnehmungen von Objekten.


    Semiotization of the measuring process. The concept of 'semiosis' is due to Charles MORRIS which used it to describe processes which are characterized by sign usage.


    Der Bereich des Messens soll im Folgenden nur soweit semiotisiert werden, daß für eine idealisierte Gruppe von Untersuchern geklärt ist, mit welchen Voraussetzungen sie über ihre Messungen sprechen können. Mit Semiotisierung soll hier jener Vorgang gemeint sein, durch den ein Handlungszusammenhang so mit Zeichenmaterial verknüpft wird, daß die Teilnehmer dieses Prozesses dieses Zeichenmaterial 'als Zeichen' gebrauchen können. Ein durch Zeichengebrauch charakterisierter Prozeß heißt bei Charles MORRIS Semiose.


    Names


    (S0) Untersucher sind in der Lage, aus einer vorgegebenen endlichen Menge von elementaren Zeichenobjekten Zeichenketten (Strings) einer vereinbarten Form zu bilden. Die Gesamtheit dieser vereinbarten Zeichenketten bildet dann eine Basissprache, die hier als eine konstruktive mengentheoretische Sprache L_set bezeichnet wird (siehe: ANHANG II). Je nach Bedarf kann man sich auf Teilsprachen der Basissprache beschränken. Solche Teilsprachen können im Hinblick auf spezielle Kontexte interpretiert werden. Diejenige Teilsprache, die im Folgenden im Kontext einer empirischen Meßtheorie EMT benutzt wird, soll meßtheoretische Sprache L_emt genannt werden.

    Bei diesen Festlegungen ist zu bedenken, daß die Gruppe der Untersucher [INVEST] den dynamischen Kontext bildet, innerhalb von dem ein beliebiger Ausdruck e aus L_emt seine Bedeutungszuordnung erfährt. Losgelöst von diesem Kontext gibt es keine Bedeutungszuordnung. Wenn also im folgenden Ausdrücken aus L_emt Bedeutrungen zugeordnet werden, handelt es sich immer um die meßtheoretische Sprache L_emt im dynamischen Kontext einer Gruppe von Untersuchern, kurz: L_emt_invest.

    Anmerkung: Für die Darstellung formaler Sprachen siehe z.B. P.RECHENBERG [1997], Formale Sprachen und Automaten, J.E.HOPCROFT/ J.D.ULLMAN [1979] Introduction to Automata Theory, Languages, and Computation, R.N.MOLL/ M.A.ARBIB/ A.J.KFOURY [1988], An Introduction to formal language theory, A.K.SALOMAA [ 1978], Formale Sprachen. Bei der Verwendung der mehr allgemeinen semiotischen Grundbegriffe folge ich der Terminologie, wie sie Charles MORRIS 1938 in seinen Foundations of the Theory of Signs vorgegeben hat. Eine Möglichkeit, wie man die mengentheoretische Sprache syntaktisch fassen kann, wird im Anhang gegeben. Diese Fassung folgt weitgehend der Darstellung von P.HINST [1992/3] in seiner Einführung in die mengentheoretischen Sprache NBG.


    Properties


    (S1) Untersucher können im (endlichen) Untersuchungsbereich das Auftreten von Eigenschaften erkennen und mit unterscheidenden Namen für Eigenschaften belegen. Es sei property = {p_1, p_2, ...} eine endliche Menge von Eigenschaftsnamen, die sich auf Wahrnehmungsereignisse beziehen. Das grundsätzliche Schema zur Einführung solcher Eigenschaftsnamen wird wie folgt angenommen:

    Gegeben seien zwei Untersucher A und B in einer gemeinsam geteilten Unzersuchungssituation Sit in der es mindestens einen Eigenschaftskomplex P gibt, der sich relativ zur Umgebung Sit von A und B unterscheiden läßt. Es wird unterstellt, daß im Normalfall A über einen Wahrnehmunskomplex P'_A verfügt, der mit P korreliert und B über P'_B. Zusätzlich kann ein Zeichenobjekt Z in die Situation eingeführt werden, zu dem es sowohl in A als auch in B Wahrnehmungskomplexe Z'_A und Z'_B gibt. Es wird weiterhin angenommen, daß A und B in der Lage sind, eine Bedeutungsbeziehung zwischen beiden Wahrnehmungskomplexen zu vereinbaren. Also:

    meaning_A: {Z'_A} (bij)---> {P'_A}
    meaning_B: {Z'_B} <(bij)---> {P'_B}


    Bei erfolgreicher Vereinbarung kann künftig z.B. A das Zeichenobjekt Z äußern und sich P'_A aufgrund der vereinbarten Zeichenbeziehung mit dem korrelierenden Wahrnehmungsereignis Z'_A denken. B wird sich entsprechend anläßlich der Äußerung von Z und dem zugehörigen Wahrnehmungskomplex Z'_B aufgrund der vereinbarten Zeichenbeziehung P'_B denken. Umgekehrt könnte B anläßlich des Auftretens vom Eigenschaftskomplex P zusammen mit dem Wahrnehmungskomplex P'_B aufgrund der vereinbarten Zeichenbeziehung meaning_B das Zeichenobjekt Z'_B erinnern und - nach Bedarf - das Zeichenobjekt Z äußern.

    Obwohl A und B wechselseitig nicht direkt wissen können, was der andere tatsächlich wahrnimmt, können beide davon ausgehen, daß sie dasselbe wahrnehmen, so lange die Unterscheidungssituationen und die Verwendungssituationen gleich sind. M.a.W. die gemeinsam geteilte Praxis wird dazu benutzt, um bezüglich der gemeinsam geteilten Praxis Klassen gleicher Wahrnehmungsereignisse indirekt zu definieren. Deshalb ist die gemeinsam geteilte Praxis der Gruppe der Untersucher konstitutiv für die Bedeutung der solcherart eingeführten spezielle Sprache L_emt_invest.

    Dazu folgende Anmerkungen:
    1. Es gibt Meßtheoretiker (wie z.B. Gerd GIGERENZER in seinem Buch Messung und Modellbildung in der Psychologie), die davon ausgehen, daß die zu messende 'Realität' immer auch geprägt ist von der Art, wie der Untersucher mit dieser Realität interagiert. Diese Annahme muß hier nicht eigens gemacht werden, da sie für die Position des kritischen Phänomenalismus konstitutiv ist. Im kritischen Phänomenalismus wird nämlich generell unterstellt, daß eine Menge von zunächst nicht explizit bekannten Faktoren bei der aktiven Begegnung mit der 'Realität' wirksam sind. Primär 'zur Hand' ist zunächst 'das Erleben als solches', das im Rahmen der jeweils verfügbaren Voraussetzungen kategorisiert und als ein so klassifiziertes Etwas im Rahmen der Erfahrung benutzt werden kann; dies schließt mögliche Benennungshandlungen mit ein.

    2. Hier wären sicher auch viele Ergebnisse der Neuropsychologie einschlägig, aus denen hervorgeht, welche (physiologischen) Mechanismen im einzelnen wirksam sind, wenn wir (psychologisch, phänomenologisch) Eigenschaften wahrnehmen. Doch soll hier aus methodischen Gründen nur soviel thematisiert werden, wie wir vorwissenschaftlich beim Messen voraussetzen. Denn eine Disziplin wie die Neuropsychologie setzt ja auch eine Fülle komplizierter Meßverfahren voraus, die nicht schon von den später dadurch erst möglichen Ergebnissen für ihre Definition Gebrauch machen können.

    3. Natürlich ist das sogenannte vorwissenschaftliche Wissen eine relative Größe, in die unweigerlich sogenanntes kulturelles Wissen eingeht - mindestens durch die benutzte Sprache -, ohne das jeder Untersucher im begrifflichen Nichts enden würde.

    4. Für die ausführliche Diskussion zur sprachlichen Bedeutung sei auf die nachfolgenden Kapitel verwießen.

    Objects


    (S2) Untersucher können das Auftreten von Bündel von Eigenschaften als zu einem bestimmten Objekt zugehörig erkennen und für solche Objekte Objekt-Namen einführen. Es sei OBJ c names x pow(property).

    Beispiele: '(hund, {p_1, p_2, p_3})', '(stein, {p_2, p_5})'


    Investigators


    (S3) Untersucher sind durch ihre Körper selber Objekte der Objektwelt und können von daher auch benannt werden. Sie bilden eine spezielle endliche Teilmenge der Objekte, also INVESTc OBJ.

    Beispiele: '(hans, {p_1, p_4, p_6})'


    Points in Space


    (S4) Ferner wird gefordert, daß es den Untersuchern möglich ist, Raumstellen anzugeben, die sich im Verhältnis untereinander für eine angebbare Dauer nicht verändern. Raumstellen werden mittels Namen für Raumstellen benannt. Die endliche Menge der benannten Raumstellen soll abgekürzt werden durch den Namen 'SPACE'. Da sich Raumstellen auch auffassen lassen als Eigenschaftsbündel, bilden Raumstellen eine Untermenge von der Menge OBJ, also SPACE c OBJ.

    In der Einleitung des ersten Bandes seiner Einführung in die Grundlagen der Theoretischen Physik gibt Günther LUDWIG 1978 ein sehr ausführliches einleitendes Beispiel zur Längenmessung, in der er die Raumstellen im Zusammenhang mit einem Gerüst sieht, das vorausgesetzt werden muß, will man physikalisch sinnvoll Messungen im Raum definieren. Hier wird kein Gerüst gefordert, wohl aber jene Eigenschaften, die die Existenz eines Gerüstes mit sich bringen würden. In beiden Redeweisen geht es darum, Eigenschaften zu 'garantieren', die beim praktischen Messen vorausgesetzt werden müssen und über die sich die beteiligten Untersucher in einer alltäglichen Praxis zumindest 'lokal' verständigen können. Inwieweit sich diese lokalen Gegebenheiten dann mittels sekundärer theoretischer Modelle 'erfolgreich' mit 'beliebigen' anderen lokalen Gegebenheiten in Beziehung setzen lassen, ist eine Frage, die über das unmittelbare Messen hinausgeht und die Frage von Theorien und Theorieanwendungen insgesamt betrifft (für ein Beispiel mit einem 'Gerüst' siehe den nachfolgenden Abschnitt zum Thema 'Erweiterung einer empirischen Meßtheorie mit nicht-endlichen Mengen').


    Empirical Number Systems


    (S5) Es wird ferner angenommen, daß die Untersucher in der Lage sind, empirische Zahlensysteme anzunehmen. Im Kern bestehen diese aus endlichen Zeichenmengen, mit denen in festgelegter Weise hantiert werden darf. Es soll hier das System 'n10' betrachtet werden.

    Wir setzen voraus, daß ein Untersucher zu folgenden Leistungen in der Lage ist:
    1. eine endliche Menge von Zahlzeichen num = {'0', ..., '9'} unterscheiden zu können.
    2. er bezüglich den in SPACE benannten Raumstellen unterscheiden kann, ob an ihnen Zahlzeichen angebracht sind oder nicht.
    3. daß er relativ zu seinem eigenen Körper Richtungen unterscheiden kann, die durch die Zeichen 'vorne', 'hinten', 'links', 'rechts' benannt werden. Außerdem kann er Richtungsverläufe unterscheiden, die durch 'von links nach rechts', 'von rechts nach links' usf. bezeichnet werden.
    4. er kann die +1-Operation für den Bereich der Zahlzeichen 0 ... 9 lernen, die besagt, 0 +1 wird ersetzt durch 1; 1 +1 wird ersetzt durch 2; ..., 8 +1 wird ersetzt durch 9; 9 +1 wird ersetzt durch 0.
    5. er kann die <9-Operation für den Bereich der Zahlzeichen 0...9 sowie einer leeren Raumstelle lernen. Diese besagt, daß eine leere Raumstelle oder die Zahlzeichen 0...8 kleiner sind als das Zahlzeichen 9.
    6. er kann lernen, was es heißt, von einer Raumstelle c_i zu der nächstgelegenen Raumstelle c_j überzugehen, die sich links von c_i befindet.
    7. er kann lernen, was es heißt, eine Zahlzeichenoperation zu Stoppen.
    Aufgrund dieser Eigenschaften ist ein Untersucher dann in der Lage, auch die folgende Handlung zur Erzeugung eines Zahlzeichennachfolgers vorzunehmen (SCHEMA ZUR EMPIRISCHEN ZAHLENERZEUGUNG):
    1. Gegeben ist eine endliche Menge von Raumstellen c_n, ..., c_1, die von rechts nach links angeordnet sind.
    2. Auf diesen Raumstellen befinden sich von rechts nach links Zahlzeichen aus num, wobei sich von rechts aus gesehen zwischen zwei Zahlzeichen keine leere Raumstelle befindet.
    3. Ein Untersucher beginnt bei der Raumstelle, die sich ganz rechts außen befindet.
    4. Er versucht die <9-Operation anzuwenden. Ist dies möglich, dann wendet er die 1+-Operation an und stoppt dann seine Operation. Er hat einen Zahlzeichennachfolger erzeugt.
    5. Ist die <9-Operation nicht anwendbar, dann wendet er die 1+-Operation an und geht anschließend zur nächsten linken Raumstelle über. Diesen Schritt wiederholt er sooft, bis die <9-Operation auf eine Raumstelle anwendbar ist. Ist dies der Fall, dann stoppt er nach der 1+-Operation. Er hat einen Zahlzeichennachfolger erzeugt.
    Schließlich wird noch angenommen, daß sich die Handlungen zur Erzeugung von Zahlzeichennachfolger in einer Liste mit endlich vielen Zeilen eintragen läßt. In der obersten Zeile steht zu Beginn das Zahlzeichen '0'. Auf dieses Zahlzeichen wird dann das SCHEMA ZUR EMPIRISCHEN ZAHLENERZEUGUNG angewandt. Das Ergenis wird in die auf '0' nachfolgende Zeile eingetragen. Diese Prozedur wird so oft angewandt, bis man das Zahlzeichen hat, was man braucht. Eine solche Folge heißt eine geordnete Zahlzeichenfolge und die Menge der so erzeugbaren Zahlzeichen wird hier die Menge der empirischen natürlichen Zahlen, abgekürzt 'n10', genannt. Es soll gelten:
    • (i) Zahlzeichen, die einem bestimmten Zahlzeichen in der Liste 'ähneln', heißen '=_n10-gleich'
    • (ii) wenn x ein Zahlzeichen ist, das einem Zahlzeichen y in einer anderen Zeile 'vorausgeht', dann heiße x <_n10-kleiner y.
    • (iii) wenn das Zahlzeichen y durch Anwendung der empirischen Erzeugungsrelation auf ein Zahlzeichen x in der 'darüberliegenden' Zeile hervorgegangen ist, dann soll x der 'n10-direkte Vorgänger' von y heißen und y der 'n10-direkte Nachfolger' von x.
    Die Menge n10 ist ausführbar unendlich, d.h. die Menge der Zahlzeichen 'für sich gesehen' ist zwar immer endlich, aber dadurch, daß man auf sie eine empirische Erzeugungsoperation beliebig oft anwenden kann, ist sie potentiell unendlich.


    Time Stamps


    (S6) Den Untersuchern soll es ferner möglich sein, lokale Uhren zu vereinbaren, d.h. es gibt entweder einen natürlichen periodischen Prozeß, der vorgegeben und damit aufzeigbar ist oder aber die Untersucher bauen eine künstliche Vorrichtung, die hinreichend periodische Abläufe erzeugt. Die periodischen Abläufe müssen so beschaffen sein, daß gilt:
    • Bestimmten Konstellationen der Abläufe lassen sich Elemente aus n10 so zuordnen, daß jedes Element aus n10 genau eine solche Konstellation bezeichnet. Ein solches mit einer Uhrenkonstellation verbundenes Zahlzeichen heiße ein Zeitpunkt. Es gelte also:

      TIME c n10 x T_UNIT

      UNIT c names
      T_UNIT c UNIT und


      Lokalen Uhren, die unterschiedliche Periodendauer zeigen, kann man verschiedene Zeiteinheiten zuweisen. Man könnte also Ausdrücke bilden wie '(5, minuten)' oder '(12, stunden)' oder '(12,sec)' usw.

    • Wenn der Zeitpunkt x der n10-direkte Vorgänger vom Zeitpunkt y ist, dann soll die durch x bezeichnete Uhrenkonstellation der durch y bezeichneten Uhrenkonstellation vorausgehen.

    • Für die Menge der Zeitpunkte, die einer lokalen Uhr zugeordnet sind, soll gelten: wenn (a,b) und (c,d) zwei beliebige Paare von Zeitpunkten sind, so daß a nicht =_n10 c und b nicht =_n10 d und a ist der n10_direkte Vorgänger von b und c ist der n10_direkte Vorgänger von d, dann soll der 'physikalische Abstand' der durch die Paare (a,b) und (c,d) bezeichneten Uhrenkonstellationen 'physikalisch gleich' sein.
    Hier wird vorausgesetzt, daß es (i) eine subjektive Basis des Zeitempfindens als undefinierter Grundgegenheit gibt, durch die ein Untersucher 'für sich' entscheiden kann, ob etwas gegenwärtig/ aktuell ist (JETZT) oder vergangen (VORHER), und daß (ii) es möglich ist, das subjektive Zeitempfinden mit beliebigen periodischen Prozessen (Uhren) zu korrelieren. Das weiterführende Problem, wie sich solch eine lokal realisierbare Zeitmessung durch eine universelle Synchronisation auf den universellen Raum aller möglichen lokalen Räume ausdehnen läßt, wird hier nicht behandelt (siehe dazu z.B. das Buch Raum - Zeit - Materie. Vorlesungen über allgemeine Relativitätstheorie von WEYL). Dieser Aspekt hat für die hier zu diskutierende Meßtheorie keine Relevanz. Dies gilt auch für die weitere Fragestellung, ob die 'reale' Welt insgesamt einen irreversiblen - und damit einen gerichteten - oder einen reversiblen Prozeß darstellt (eine umfassende Erörterung aller Aspekte zur Zeitproblematik findet sich in dem Buch The Natural Philosophy of Time von G.J. WHITROW).


    Simple Measurement Instruments and Operations


    (S7) Meßgeräte werden hier aufgefaßt als eine Kollektion von Objekten mit bestimmten Eigenschaften, die in dieser Kollektion auf bestimmte Eigenschaften 'reagieren' können: MI c pow(OBJ) x pow(property).

    Angenommen m_1 sei ein konkretes Meßinstrument mit m_1 = ({(o_1, {p_1, p_3}),(o_2,{p_2})}, {p_4}), etwa: m_1 besteht aus den beiden Objekten o_1 und o_2. Das Objekt o_1 hat die Eigenschaft p_1 (:= 'ist ein Glasröhrchen mit einem Quecksilbertropfen') und p_3 (:= 'der Quecksilbertropfen dehnt sich bei Erwärmung aus'). Das Objekt o_2 besitzt die Eigenschaft p_2 (:= 'ist eine Meßlatte mit Markierungen in gleichen Abständen'). Diese beiden Objekte reagieren auf die Umgebungseigenschaft p_4 (:= 'Wärme'). Aus der Anordnung der Zeichen im definierenden Ausdruck von m_1 ist weder zu entnehmen, wie die beiden Objekte genau beschaffen sind, noch wie sie zueinander angeordnet sind. Dennoch gehört all dies zur Bedeutung des definierenden Ausdrucks von m_1, was durch die Einbettung in den Handlungskontext der Untersuchergruppe gesichert ist. Zwei Untersucher A und B, die das konkrete Meßgerät benutzen, das durch den Namen m_1 bezeichnet wird, haben durch ihren praktischen Umgang mit dem konkreten Gerät eine Fülle von Wahrnehmungskomplexen, die sie alle mit dem Gerät und dann auch mit dem Zeichen m_1 assoziieren.

    Ein Meßgerät wie z.B. m_1 wird allerdings erst im Rahmen einer geeigneten Meßhandlung/ Meßoperation [mop] wirklich zum Meßgerät. Im Rahmen einer Meßhandlung wird man ein konkretes Meßgerät auf typische Weise mit den zu messenden Objekten in Verbindung bringen, so daß die Einwirkung des Meßobjektes auf das Meßgerät zu möglichen Zustandsänderungen am Meßgerät führen kann, oder auch nicht. Es wird angenommen, daß ein bestimmtes Meßgerät genau auf eine Art von Zustandsänderung vorbereitet ist und daß der Name, der diese Art von Zustandsänderung bezeichnet, die Einheit dieses Meßgerätes bzw. die Meßeinheit genannt wird. Ein Meßgerät kann also durch die Anwendung eine definierte Zuordnung (Tabelle/ Abbildung) zwischen den Eigenschaften einer zu messenden Objektmenge und der Anzahl möglicher Einheiten herstellen; im Ruhezustand soll ein Meßinstrument nach Vereinbarung einen neutralen Wert anzeigen und bei Anwendung zeigt es entweder den neutralen Wert oder eine bestimmte Anzahl von Meßeinheiten.

    mop: MI x pow(OBJ) ---> n10 x UNIT

    Standardmäßig soll gelten: 'mop(X, {nil}) = (0, U), wobei X und U entsprechend zu wählen sind.


    Der Ausdruck 'mop(m_1, {schwarzer_kasten}) = (11, einheit_1)' wäre dann zu lesen: Das Meßgerät mit Namen m_1 hat bei Anwendung auf das Untersuchungsobjekt schwarzer_kasten 11 viele Einheiten der Einheit einheit_1 gemessen'.


    Complete Measurement Statements


    (S8) Für die zeichenhafte Repräsentation einer Messung wird hier vereinbart, daß neben der eigentlichen Meßoperation auch Zeit, Ort und ausführender Untersucher repräsentiert werden. Ein solcher symbolischer Ausdruck soll hier eine Meß-Aussage genannt werden. Sie behauptet das Vorliegen eines bestimmten Sachverhaltes und konstituiert damit ein Datum für den theoretischen Umgang mit dem Untersuchungsbereich. Die symbolische Form einer Meß-Aussage könnte etwa lauten:

    DAT_BASE c (TIME x TIME) x pow(SPACE) x pow(INVEST) x dm(mop) x rn(mop)

    DAT c DAT_BASE x (CONTEXT u {nil})

    Ein Ausdruck der Art:

    DAT(<t,r,i,m_1,{c_1, c_200},(14,m)>)

    wäre dann z.B. zu lesen: im Zeitintervall t = ((1,sec),(1200,sec)) und im Raumgebiet r = {c_0, c_100, c_900, c_1000} hat die Gruppe der Untersucher i = {(hans,{p_1,p_3}), (marianne,{p_1,p_3, p_5}), (peter,{p_1,p_3})} mit dem Meßgerät m_1 = ({(messschnur,{p_7})},{p_7}) die beiden Raumstellen c_1 und c_200 bezüglich ihrer Entfernung gemessen und das Ergebnis 14 Einheiten der Art 'm' bekommen.


    Data Collections


    Mit einem solchen Bezeichnungssystem ist es möglich, beliebig viele Meßoperationen zu protokollieren. Jedesmal, wenn ein Untersucher im Rahmen der geltenden Vereinbarungen Meßoperationen vornimmt, kann er einen symbolischen Ausdruck der Art DAT(...) hinschreiben, aus dem hervorgeht, wann, wo, wer, welches Objekt mit welchem Meßgerät bzgl. welcher Eigenschaft mit welcher Meßgröße gemessen hat. Eine Menge solcher Daten soll dann eine Datensammlung oder ein Datensatz heißen: DATA in pow(DAT).

    Anmerkung: Natürlich kann ein solcher Datensatz grundsätzlich auch weitere Aussagen enthalten, sofern diese sich 'lokal' referenzieren lassen.





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