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IT-Forschung 2006

Förderprogramm Informations- und Kommunikationstechnik

4.1. Nanoelektronik und Systeme

Über die Elektronik vollzieht sich die höchste Wertschöpfung der durch Wirtschaft und Wissenschaft angebotenen Techniken in allen Bereichen der Gesellschaft. Das heutige Weltmarktvolumen elektronische Bauelemente beträgt 350 Mrd. Euro. Für den Markt der Halbleiter wird bis 2005 ein Volumen von 260 Mrd. Euro erwartet (Semiconductor Industry Association, 2002). Das entspricht einer jährlichen Steigerung von 8%. Allerdings ist dieses Wachstum keine Selbstverständlichkeit. Es setzt vielmehr weiterhin eine intensive Forschung voraus.

Ein High-Tech-Standort wie Deutschland behält seine Position nur, wenn er der Elektronik mit ihren Basistechnologien im Lande selbst und in ihrer internationalen Vernetzung den Stellenwert beimisst, der auf lange Sicht eine auch an den Märkten realisierte erfolgreiche Entwicklung gewährleistet. Das Spektrum der Unternehmen, die an der Wertschöpfungskette der Elektronik beteiligt sind, ist vielgestaltig, überschaubar ist dagegen die Zahl der Halbleiter-Hersteller.

Die Halbleiterindustrie in Deutschland verfügt aber heute nur noch über ein beschränktes Potenzial, sich weltweit - zumindest im nächsten Jahrzehnt - an der Spitze der Entwicklung zu weiterer sich noch vollziehender Strukturverkleinerung zu behaupten. Eine Vorreiterrolle ist für den Standort von erheblicher Bedeutung, da über die Strukturverkleinerung letztlich die Potenziale an Komplexitätssteigerung und Reduzierung von Leistungsverbrauch erschlossen werden, die die höheren Funktionalitäten in Systemanwendungen für Massenmärkte zu realisieren gestatten.

Das zukünftige Angebot der Nanoelektronik - d. h. der Mikroelektronik mit immer kleineren funktionsbestimmenden Strukturen, deutlich unter 100 nm - ist die Realisierbarkeit nahezu beliebig komplexer Chipsysteme als funktionsbestimmende und unverzichtbare Bestandteile neuer Produkte. Diese zielen nicht nur auf heute schon bestehende Massenmärkte, sondern auch auf aussichtsreiche Nischenmärkte mit dem Potenzial für künftige Massenmärkte.

Für die öffentliche Forschungsförderung ergibt sich daraus die besondere Verantwortung, einen Technologiebereich von zugleich hoher Forschungsintensität und hoher Hebelwirkung für Innovationen insgesamt effektiv zu fördern.

Den internationalen Aktivitäten zur Elektronik liegt als "roter Faden" die in regelmäßiger Überarbeitung befindliche ITRS-Roadmap zum Mainstream der Entwicklung zugrunde. Die Vereinigung der US-Halbleiterindustrie (Silicon Industries Association, SIA) erstellt im Abstand von zwei bis drei Jahren, unter Mitwirkung der wichtigsten "Spieler" der weltweiten Halbleiter- Industrie, eine 15-Jahre-Prognose, die sogenannte ITRS-Roadmap (International Technology Roadmap for Semiconductors) für die Entwicklung aller wesentlichen technischen, technologischen und ökonomischen Mikroelektronikdaten, die jedoch mittlerweile auch zwischenzeitlich immer wieder Aktualisierungen erfährt. Sie bezieht alle Facetten der Chipherstellung, von der Realisierung der Bauelementestrukturen bis zum Packaging und den Mess- und Qualitätsprozessen ein.

Kern der Roadmap ist die in den letzten Jahren progressiv verlaufende Strukturverkleinerung als Basis aller Performance-Steigerungen im Bereich der Ökonomie, der Komplexität, des Leistungsverbrauches und anderer Kriterien, die Voraussetzung für die Erschließung von Massenmärkten sind. Um den Standort auszubauen und zu erhalten, ist aber vor allem die notwendige Breite an verfügbaren Technologien, die nicht allein auf Strukturverkleinerung setzen, sondern auch den spezifischen Anforderungen unterschiedlicher Anwendungsfelder gerecht werden müssen. Diese technologische Breite für die Vielfalt an Systemanforderungen ist die Hauptquelle für den Mehrwert aus der Elektronik.

Durch dieses Angebot an anwendungsreifen Technologien und Prozessschritten ist die Elektronik in der Lage, eine Vielzahl von Technikbereichen in ihrer Entwicklung zu stimulieren und mit ihnen disziplinübergreifend zu kooperieren.

Es ist für das technologie- und exportorientierte Land Deutschland wichtig, in der generischen Technologie Elektronik weltweit wettbewerbsfähige Forschung und Entwicklung zu betreiben, um sich in der Weltspitze der Industrienationen insgesamt behaupten zu können. Die Forschungsförderung kann diesen Prozess in den entscheidenden, vorwettbewerblichen und daher risikoreichen Bereichen wesentlich beschleunigen.

Die weiteren Strukturverkleinerungen und die damit verbundenen Probleme sind mit evolutionären Ansätzen oft nicht zu lösen. Neue Wege müssen eingeschlagen werden. Die Förderung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung wird sich daher auf die sogenannten "Roadblocker" konzentrieren, d.h. auf wissenschaftlich-technische Problemstellungen, die nicht einfach mit Hilfe alternativer Technologien umgangen werden können, sondern deren Lösung zur Erreichung des gesteckten Ziels zwingend erforderlich ist.

Seit einigen Jahren ist z.B. eine signifikante Beschleunigung der Entwicklung entlang der Roadmap zu beobachten: es bestätigt sich ein Trend zu zweijährigen Zyklen (bisher drei Jahre) von einer IC-Generation zur nächsten. In gleicher Zeit hat sich auf dem Gebiet der Lithographie die Zeit von der ersten wichtigen Publikation bis zur Marktreife auf 5 Jahre halbiert (157 nm im Vergleich zu 248 nm). Diese aggressive Weiterentwicklung stößt zunehmend auf fundamentale Defizite im Bereich der Material- und Gerätetechnologien.

Aus strategischer Sicht muss Förderung dazu beitragen, die Leistungsfähigkeit des Standortes für den globalen Wettbewerb zu erhalten, d.h.

dauerhaft zu gewährleisten. Darüber hinaus muss die Fähigkeit zur Zukunftsvorsorge auf allen genannten Gebieten durch grundlagennahe Forschung in notwendiger Breite gewährleistet werden.

Die staatliche Förderung im nächsten Jahrzehnt konzentriert sich auf die Säulen

in denen die zu erhaltenden Fähigkeiten von Industrie und Wissenschaft mitgestaltet und gestützt werden. In dieser Dreiteilung sind alle strategisch wichtigen Entwicklungen berücksichtigt. Sie lässt sich zusammenfassen unter dem Leitgedanken "higher perfomance - lower power". Nur durch erfolgreiche Forschungsanstrengungen in allen drei Säulen ist dieses Ziel zu erreichen. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung wird seine Förderung innerhalb der drei Säulen auf jene Bereiche und Projekte konzentrieren, welche die größte volkswirtschaftliche Hebelwirkung erwarten lassen.

Eine so angelegte bedarfsgerechte Förderung der Nanoelektronik darf sich nicht in der Förderung der entsprechenden physikalischen Basisforschung erschöpfen. Je nach Aufgabenstellung müssen die zur Lösung relevanten Forschungsdisziplinen - zum Beispiel Optik, Materialforschung, Biotechnologie, Umwelttechnologie - einbezogen werden, wenn so ein Mehrwert für die Umsetzung von Nanoelektronik-Anwendungen erwartet werden kann.

Die "Roadblocker", die aus heutiger Sicht der schrittweisen Realisierung derart komplexer Netzwerke im Wege stehen, werden im Rahmen von "IT-Forschung 2006" mit Experten aus Industrie und Wissenschaft definiert.

Die Nanoelektronik mündet in neuartige Vernetzungen des Menschen in und mit seiner Umwelt, deren Möglichkeiten zur Ausgestaltung heute noch gar nicht erfasst werden können. Sie sind Herausforderungen für die Entwicklungen in der Nanoelektronik, heruntergebrochen auf Strukturen, Architekturen, Bauelemente und Technologien. Sie werden dann zum Erfolg des Standortes, wenn die Wertschöpfungskette in den Teilen mit dem entscheidenden Know-how sowohl FuE- als auch produktionsseitig von der deutschen Wissenschaft und Wirtschaft weiterhin mitbestimmt werden kann. Dazu soll "IT-Forschung 2006" einen motivierenden und mobilisierenden Beitrag leisten.

Unter Nanoelektronik wird hier die auf Silizium basierende Elektronik mit Strukturbreiten von unter 100 Nanometer verstanden. Dazu alternative Ansätze werden nur dann betrachtet, wenn sie bereits ihre erste technische Evaluierungsstufe durchlaufen haben. Dies ist erkennbar daran, dass erste industrielle Realisierungspläne konkreter Produkte vorliegen. Unter dem breiten Spektrum der alternativen Ansätze für die Nanoelektronik der Zukunft wird gegenwärtig mit Schwerpunkt die Magneto- und Spinelektronik betrachtet. Dieser Ansatz nutzt neue Erkenntnisse des Magnetismus für die Elektronik und stellt gegenwärtig den aussichtsreichsten Ansatz dar, die Silizium-Elektronik mittelfristig zu ergänzen. Namhafte Halbleiterhersteller erwarten die ersten magnetoelektronischen Produkte im Jahr 2004.

Die Säulen des Förderbereiches Nanoelektronik orientieren sich an der ITRS-Roadmap. Die neueste Roadmap prognostiziert Strukturgrößen von 23 nm für DRAM-Bauelemente und 16nm Gatelänge für Mikroprozessor-Technologien. Hierfür werden aber schon eine ganze Anzahl von Annahmen gemacht, so dass dieser Voraussage eine relativ große Unsicherheit zugeordnet werden muss.

Da die Halbleiterindustrie ihre Systemplanungen langfristig an solchen Trendkurven ausrichtet, konnten die Trends in der vergangenen Zeit auch immer erreicht werden. Die Schwierigkeiten bei der Erreichung der in der Roadmap verankerten Ziele sind jedoch in den letzten Jahren enorm angewachsen und betreffen nicht mehr nur die Verkleinerung von Strukturabmessungen, sondern in zunehmendem Maße auch Probleme, die in der Vergangenheit als eher peripher eingestuft worden sind. Das sind u. a. die Notwendigkeit des Verwendens neuer Materialien in den Chips oder das an die Chip-Performance angepasste Packaging.

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