Groteske Stummfilmwelten "Barbar Rosa" von Georg Klein Zwei Tage hat der Detektiv Mühler Zeit, um einen verschwundenen Geldtransporter zu finden, doch zunächst ist er sehr damit beschäftigt, sein grünes Arbeitssakko, das ihm eine Bande Jugendlicher abgenommen hat, wiederzubekommen. Das bringt ihn allerdings unerwartet bei der Aufklärung seines Falles wesentlich weiter als das zerfledderte russische Comic-Heft und das vergilbte Betriebshandbuch eines altmodischen Dreiradtransporters, die Mühler als Materialien zur Bearbeitung seines Auftrages im Gebrauchtextfundus Ilbich ersteht. Von Indizien geleitet zieht Mühler durch eine wie im Dämmerlicht liegende namenlose Hauptstadt der Jetztzeit und ermittelt mit Hilfe seines Freundes Kurti, dem gerade suspendierten Assistenten des berühmten Installationskünstlers Bertini, und der Kioskbesitzerin Hella den Verbleib des Geldtransporters und seiner Fahrer. Mühler, ein langzeittherapierter Sucko-Süchtling, der weder fernsieht noch liest und in auftragsfreien Zeiten an einer unerklärlichen Allergie mit ekelerregenden Symptomen leidet, scheint als Detektiv denkbar ungeeignet, hat er doch einen schweren Unfall mit Kopfverletzung hinter sich, dessen Folgen ihm womöglich immer noch zu schaffen machen. Auf das Schicksal vertrauend stolpert er durch die Stadt um seinen Auftrag zu erfüllen und lehrt den Leser auch durch seine eigene Person immer wieder das Gruseln. In der Atmosphäre eines Stummfilmes der zwanziger Jahre, die nicht zuletzt durch die fehlenden direkten Dialoge verstärkt wird, hat der Detektiv Mühler allerhand groteske Erlebnisse mit märchenhaft-gespenstisch verzerrten Personen, bis sich schließlich der Fall fast wie von selbst auflöst. Mit seiner sehr bildhaften Sprache gelingt es Georg Klein in seinem neuen Roman ?Barbar Rosa?, den Leser in fremde und faszinierende Welten zu versetzen, obwohl sich die Handlung eindeutig im Berlin der Gegenwart abspielt. Eindrucksvoll schildert er die fast menschenleer erscheinende, verkommene Stadt wie einen düsteren Geisterwald voller Gefahren und barbarischer Unholde und macht vor allem ihre Gerüche von Verwesung und Fäulnis nahezu sinnlich erfahrbar. Spielerisch wechselt Klein die Zeitebenen zwischen den frühen Dreißiger Jahren und der Gegenwart und lässt sie zu einer anderen, neuen Ebene verschwimmen, die noch viel größere Blickwinkel auf den historisch-politischen Kontext der Figuren eröffnet. Ohne das romantische Erlösungsstreben nach einem geistigen Ideal aufzugreifen, bewegt sich Klein mit seiner Sprache nicht zuletzt durch seine große Freude am Unheimlichen und Skurrilen und die Verwendung zahlreicher Symbole nah an der Romantik des 19. Jahrhunderts. Dass der 1953 in Augsburg geborene, jetzt in Berlin und Ostfriesland lebende Autor im letzten Jahr für einen Ausschnitt dieses Romans, den Ingeborg-Bachmann-Preis bekommen hat, ist geradezu selbstverständlich. Klein ist ein ausgesprochen meisterhafter Sprachkünstler, dessen teilweise nahezu atemberaubend schöne Sprache seinen Leser sehr in Bann nehmen kann. So sehr jedoch manchmal, dass es mitunter fast schwierig wird, sich auf die Handlung zu konzentrieren und zu erkennen, welches Indiz nun für das Fortkommen der Geschichte entscheidend sein wird und was eigentlich gerade genau passiert ist. Da man den Roman jedoch nur irrtümlich für einen Krimi halten kann und ihn vielmehr als tiefsinnige, literarische Detektivgeschichte sehen muss, ist dies verzeihlich. Der Autor möchte nicht die möglichst virtuose Lösung eines Falles aufzeigen, sondern er erzählt eine fesselnde, begeisternde Geschichte über rätselhafte Zusammenhänge und geheimnisvolle Machenschaften in einer fantastisch anmutenden Gegenwart in Endzeitstimmung.