CHAPTER V: The Birth of the Sign
5.x.2: A possible Scenario for the birth of signs





'95-Knowbot

(The english annotations below are only a rough characterization of the content of the german text)





KAPITELV: Die Geburt des Zeichens
5.x.2: Ein Szenario für die Entstehung von Zeichen




AUTHOR: Gerd Döben-Henisch
COAUTHOR: Joachim Hasebrook
DATE OF FIRST GENERATION: March 9, 1998
DATE OF LAST CHANGE: March 11, 1998
ADDRESS: INM - Institute for New Media, Frankfurt, Germany
EMAIL: doeb@inm.de
URL: INM
Copyright (c) Gerd Döben-Henisch
STATUS: Work in Progress
COOPERATION: Everybody is invited to share the discussions, to contribute with own ideas. The authors decide whether such contributions are accepted for incorporation in the final version.


    The problem of the symbolic communication of private states


    Nach den vorstehenden Annahmen zur Struktur des Bewußtseins läßt sich die Aufgabe einer zeichenbasierten Kommunikation zwischen zwei Bewußtseinsräumen wie folgt umreißen:
    • Ein Bewußtsein A identifiziert ein äußeres Objekt B, das mit dem Körper von Bewußtsein A eine charakteristische Ähnlichkeit aufweist.

    • Aufgrund dieser Ähnlichkeit ist ein Analogieschluß der Art möglich, daß A dem Objekt B ähnliche innere Zustände zuspricht wie sie A von sich kennt.

    • Wenn A jetzt im Zusammenhang mit einem subjektiven Erlebnis P_A' ein Zeichen Z_A' einführt und dies als äußerliches Objekt Z_A äußert, dann kann er auf der Basis seines Analogieschlusses vermuten, daß das Objekt B eine irgendwie geartete Wahrnehmung Z_B(A)' von diesem geäußerten Zeichen hat.

    • Unklar ist an dieser Stelle, wieweit A annehmen kann, daß B auch ein Analogon zu P_A' in Form von P_B(A)' besitzt.


    Wittgenstein: The usage of words and the need for explicit definitions


    In diesem Zusammenhang sei kurz an Ludwig WITTGENSTEIN erinnert, der in seinen Philosophischen Untersuchungen [PU] wie auch in seinen Bemerkungen über die Philosophie der Psychologie [PP] das Problem der zeichenbasierten Kommunikation subjektiver Zustände intensiv reflektiert hat (für eine Zusammenstellung zentraler Thesen WITTGENSTEINs zu diesem Thema siehe ANHANG II).

    Eine direkte Kenntnisnahme von inneren (= subjektiven = psychologischen) Zuständen nennt WITTGENSTEIN Introspektion und er sagt, daß Introspektion niemals zu einer hinweisenden Definition führen kann, die von anderen unmittelbar nachvollziehbar ist (vgl. PP:212). Um aber die Verwendung eines Wortes (= Zeichen) lernen zu können, braucht ein anderer intersubjektive Anhaltspunkte (PU:257). Wann und wie können diese gegeben sein?


    The non-conventional cooccurences of private and public states. Case A and B


    Akzeptiert man die Prämisse von WITTGENSTEIN, daß sich subjektive Erlebnisse eines A nur dann via Zeichen mit Zuständen eines B korrelieren lassen, wenn es begleitende externe Ereignisse gibt, dann gibt es grundsätzlich nur zwei Möglichkeiten:
    • FALL A: A hat ein subjektives Erlebnis P_A', das auf nichtkonventionelle Weise W (z.B. aufgrund von physiologischen Gegebenheiten) ein äußerliches Ereignis E_A hervorruft (z.B. eine körperliche Reaktion) und für jeden potentiellen Kommunikationspartner B gilt dieser nichtkonventionelle Zusammenhang W ebenso, d.h. es gibt subjektive Erlebnisse P_B', die ebenfalls in der Weise W Ereignisse E_B hervorrufen, die sich mit A_A vergleichen lassen. Anders ausgedrückt: Die aufgrund von W hervorgerufenen äußeren Ereignisse sind bzgl. W äquivalent.

    • FALL B: Es gibt äußere Ereignisse S, die auf nichtkonventionelle Weise W (z.B. aufgrund von physiologischen Gegebenheiten) subjektive Erlebnisse S' in allen sich 'in der Nähe befindlichen' Objekten mit Bewußtsein hervorrufen. Anders ausgedrückt: Die aufgrund von W hervorgerufenen subjektiven Erlebnisse sind bzgl. W äquivalent.
    Für beide Fälle gibt es konkrete Beispiele, wobei FALL B der wichtigste sein dürfte.


    CASE A: Generic physiological mechanisms connecting private states with public observable body-states (expression)


    Fall A wäre z.B. gegeben, wenn bestimmte subjektive Zustände P_A' in A aufgrund der menschlichen Physiologie immer begleitet wären mit einem körperlichen Ausdruck E_A. Ein auf P_A' Bezug nehmendes zeichen Z_A', das als ZA geäußert würde, träte dann zusammen mit E_A auf. Da der Zusammenhang zwischen dem Auftreten von P_A' und E_A gattungsspezifisch sein soll (von pathologischen Fällen jetzt abgesehen), kann man davon ausgehen, daß ein potentielles Gegenüber B bei hinreichend langer Lerngeschichte diesen gattungsspezifischen Zusammenhang auch schon mindestens einmal am eigenen Leibe erfahren hat und von daher die Beziehung (E_A <---> P_B') schon kennt. Ein aktuelles Auftreten von E_A würde dann diese Beziehung aktivieren und das begleitende Zeichen Z_A würde als Z_B(A)' dann mit P_B' korrelierbar.


    CASE B: Generic physiological mechanisms connecting extrnal events with internal physiological state-changes (perception)


    FALL B wäre gegeben, wenn bestimmte äußere Ereignisse S aufgrund der menschlichen Physiologie (im Normalfall) immer begleitet wären von bestimmten subjektiven Erlebnissen S_A' bzw. S_B' in Objekten A und B, die Bewußtsein haben und die hinreichend nah zu S sind. Wenn z.B. A dann anläßlich des Auftretens von S_A' ein zeichen Z_A' als Z_A äußert, dann könnte B neben S_B' auch Z_B(A)' wahrnehmen und dieses Zeichenerlebnis mit dem anderen Wahrnehmungserlebnis verknüpfen. Die Ereignisse S_A' und S_B' wären dann hinsichtlich des gattungsspezifischen Wirkzusammenhanges äquivalent.


    Extensions of perceptual connections in CASE B


    Im FALL B sind mindestens zwei Arten von Erweiterungen denkbar:
    • FALL B.1: in dem Maße, wie bestimmte subjektive (psychologische) Erlebnisse P1 in einem Bewußtsein A aufgrund des Verfahrens von FALL B durch Zeichen referenziert worden sind, ist es prinzipiell denkbar, das sich dann auch solche subjektive Erlebnisse P2 zusätzlich referenzieren lassen, die mit Elementen aus P1 in einem gesetzmäßigen Zusammenhang stehen. Der Bereich erfolgreich referenzierbarer subjektiver Erlebnisse ist damit offen bzw. gegenstand weiterer Forschung.

    • FALL B.2: In dem Maße, wie Zeichen Z1 nach dem Verfahren von FALL B eingeführt worden sind, lassen sich komplexere Zeichenkombinationen Z2 einführen, deren konkrete Verwendung objekthaft demonstrierbar ist und deren Referenzen indirekt durch Bezugnahme auf schon referenzierende Zeichen vereinbart wird. Damit lassen sich Referenzen konstruieren, die ohne die Zeichenmenge Z2 nicht aufweisbar wären.



    Measurement theory as an example for case B


    Bei der Diskussion der empirischen Meßtheorie wurde von FALL B extensiv Gebrauch gemacht.

    Zwei Untersucher A und B benutzen bestimmte Handlungsweisen E, um mittels der korrespondierenden Wahrnehmungen E_A' und E_B' jene inneren Zustände zu bestimmen, die die Handlungsweisen repräsentieren sollen. Die Bestimmung der subjektiven Wahrnehmungsanteile E_A' bzw. E_B' ist allerdings nur eindeutig bis auf E oder, anders ausgedrückt, E_A' ist äquivalent zu E_B' mit Bezug auf E.

    Wenn z.B. zwei Phonetiker mit Hilfe von Sonagrammen zwischen Vokalen und Konsonanten im Bereich der deutschen Sprache unterscheiden würden, dann wären z.B. die Lautereignisse 'a', 'o', 'u', 'i', 'e' gleich bzgl. Vokalität und z.B. die Lautereignisse 'l', 's', 't', 'k' usw. gleich bzgl. Konsonalität.


    Critical Phenomenalism leads beyond Solipsisme. Mentioning PEIRCE and APEL.


    Die bisherigen Überlegungen sollten ausreichen, um deutlich zu machen, daß ein kritischer Phänomenalismus nicht notgedrungen in einem schlechten Solipsismus enden muß.

    Mit der Annahme gattungsspezifischer Ähnlichkeiten zwischen zwei beliebigen Objekten mit Bewußtsein erklärt sich die ansonsten unverständliche Tatsache, daß zwei Bewußtseinsräume sich als Teilnehmer in einem gemeinsam geteilten Raum von Körpern für eine nicht unbeträchtliche Teilmenge ihrer primär subjektiven (privaten) Erlebnisse ausreichend genau koordinieren können. Diese Koordination begleitet von individuell setzbaren Zeichenereignissen erlaubt nach und nach eine intersubjektiv koordinierte semiotische Kodierung privater Zustände, durch die die Privatheit streckenweise zu einer gemeinsam geteilten Quasi-Öffentlichkeit wird.

    Das Entscheidende ist hierbei allerdings nicht, wie es Peirce in seiner triadischen Zeichenrelation anzunehmen scheint, daß ein Zeichen für einen Interpretanten in einer Hinsicht oder Qualität etwas anderes repräsentiert (Kategorie der Drittheit)( vgl. APEL 1976, Transformationen II, p.170), sondern daß diese Repräsentationen aufgrund von strukturellen Ähnlichkeiten (= apriorischen Strukturen) zwischen verschiedenen Interpreten handlungsmäßig koordinierbar sind.

    Wie am Beispiel der wissenschaftlichen Untersucher deutlich werden konnte, ist die Eindeutigkeit der zeichenhaft vermittelten Referenz begrenzt durch die konstituierende Praxis und das solcherart kodierte (= vermittelte) Wissen bleibt prinzipiell hypothetisch. Eine noch so große Zahl von wiederholenden Bestätigungen kann die Qualität der hierin kodierten Strukturen nicht substantiell verbessern; im Gegenteil, wiederholende Bestätigung verhindert für gewöhnlich eine mögliche Verbesserung. Von daher wäre eher gegen PEIRCE zu argumentieren, daß das Postulat der Konvergenz gerade nicht Objektivität garantiert. Konvergenz bzw. Koordination beschreibt primär nur eine Eigenschaft des Prozesses selbst (siehe APEL 1976, Transformationen II, pp. 192, 198).

    Schließlich sei noch bemerkt, daß die Betonung der möglichen historischen Dimension einer Zeichengemeinschaft nicht wesentlich über die handlungsmäßige Fundierung hinausführen kann. Diejenigen internen Prozesse, die sich einer intersubjektiven Koordinierung grundsätzlich entziehen, können nicht Bestandteil eines quasi-öffentlichen Bewußtseins werden. Möglicherweise zeichnet sich eine Geisteskultur gerade dadurch aus, daß sie die zeichenhaft vermittelte Wirklichkeit immer wieder neu von den aktuellen Handlungszusammenhängen her rekonstruierend aufbaut und damit die individuellen Bewußtseinsräume schrittweise sozialisiert (dies als vorsichtiger korrigierender Einwand gegen die Tendenz der 'Vergeistigung' des Konzeptes einer Interpretationsgemeinschaft à la HEIDEGGER, GADAMER und APEL (siehe APEL 1976, Transformationen II, pp.210ff)).



    INHALT